Er trickste über vier Jahre lang Hunderte von kleinen Investoren in der Schweiz und in Deutschland aus und verramschte ihnen wertlose Aktien. Der Finanzjongleur Pietro S.* (38). Laut Anklageschrift hat der Italiener durch Täuschung Millionen von Franken für sein Luxusleben eingeheimst. Dafür musste er vor das Bezirksgericht Bülach ZH.
Gemäss der Anklage hatte er unter anderem Aktien für eine Selbstbedienungs-Tankstellenkette angeboten, die dank tiefen Kosten das Benzin billiger anbieten und so «eines der am schnellsten wachsenden Unternehmen in der spanischen Mineralölbranche» sei. In Wirklichkeit gehörten der Firma aber nur zwei Tankstellen, die nie Gewinn abwarfen.
Blick besuchte mehrere Kunden von Pietro S., die weit über 10'000 Franken verloren haben. Hätten sie den Betrug nicht rechtzeitig entlarven können, hätte man etwas besser nachgeforscht?
Perfekte Inszenierung
«Nein», sagt ein über 80-jähriger Rentner, der anonym bleiben will. «Es war alles perfekt inszeniert. Weil ich nicht am Telefon einen Deal abschliessen wollte, traf mich sogar ein Verkäufer im Restaurant. Er machte einen absolut seriösen Eindruck», sagt er zu Blick. Und weiter: «Ich verlor einen Teil meiner Pension. Jetzt muss ich wieder arbeiten.»
Der Verlust schmerzt
Offen über das Fehlinvestment spricht der Informations- und Kommunikationstechniker Patric Büeler (51). Er hat für über 20'000 Franken Aktien gekauft. Er erinnert sich: «Weil ich gelegentlich in kleine Start-ups investierte, bin ich in einer Datenbank. Darum riefen sie mich an. Die Dokumentation leuchtete ein, ich schöpfte keinen Verdacht. Erst als der Brief der Staatsanwaltschaft kam, erfuhr ich von dem Betrug. Ich wusste, es war Risikokapital, aber der Verlust schmerzt trotzdem.»
Finanzprofis unter den Opfern
Pietro S. baute ein Lügengebäude auf, das sogar von Finanzprofis nicht mit vernünftigem Aufwand durchschaut werden konnte. So bestimmte er den Kurs der Aktien selber und publizierte Zahlen über eine Finanzfirma. Die Banken übernahmen die Charts, ohne sie zu überprüfen. Die steigenden Kurse wiederum überzeugten so manchen skeptischen Anleger. Ein Prokurist einer grossen Bank fiel darauf rein, aber auch Mitglieder von Rechnungsprüfungskommissionen mehrerer Gemeinden. Sie alle glaubten, ein gutes Investment zu machen.
Raubtierstimmung im Callcenter
Für Pietro S. arbeiteten laut Anklageschrift zehn bestens ausgebildete Telefonverkäufer. Im Callcenter herrschte Raubtierstimmung, verdient wurde auf Provisionsbasis. Gewonnen hatte, wer das grösste Verkaufsvolumen generierte. Die Anklageschrift zitiert aus einem Leitfaden, was ein Verkäufer sagen soll: «Sie haben Glück, ich vertrete ein Unternehmen, das seit Jahren eine Erfolgsgeschichte vorweisen kann. Da ich auch hinter die Kulissen sehe, kann ich Ihnen das Angebot mit gutem Gewissen unterbreiten. Ja, Herr Muster, es wird Zeit, dass wir zusammen Geld verdienen.»
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Gewonnen hat aber nur der Angeklagte. Von Februar 2016 bis Februar 2019 verdiente Pietro S. im Schnitt 10'067 Franken und 53'084 Euro pro Monat. Vom Reichtum ist aber nicht viel übrig: Ein paar Luxusuhren sowie ein paar unbedeutende Liegenschaften in Österreich und ein paar Zehntausend Franken verteilt auf mehrere Bankkonten. Dem gegenüber stehen bei den mindestens 350 Betrogenen Verluste über eine Million Franken und zehn Millionen Euro.
Der Prozess gegen Pietro S. fand im abgekürzten Verfahren statt. Die Staatsanwaltschaft forderte für gewerbsmässigen Betrug und mehrfache qualifizierte ungetreue Geschäftsbesorgung eine Freiheitsstrafe über viereinhalb Jahre und einen Landesverweis über sieben Jahre. Pietro S. war geständig. Das Gericht bestätigte die Strafe.
* Name geändert