Auf einen Blick
- Flugzeugabsturz in Kasachstan: Maschine der Azerbaijan Airlines meldete Notfall
- Rettungskräfte löschen Brand an der Absturzstelle
- 29 Überlebende, 38 Tote
Das Flugzeug geht in den Sinkflug über. Langsam, aber stetig nähert es sich dem Boden. Schliesslich prallt es auf, zerschellt, und eine gewaltige Explosion reisst die Maschine auseinander. Anschliessend steigt eine schwarze Rauchwolke über der Unfallstelle auf.
Eine Maschine der Azerbaijan Airlines ist am Mittwochmorgen (Schweizer Zeit) nahe der kasachischen Stadt Aktau am Kaspischen Meer abgestürzt. Das bestätigten kasachische Behörden. 29 Menschen haben den Absturz überlebt. Zunächst war von sechs Überlebenden die Rede gewesen, später hiess es 32. 38 Menschen sind ums Leben gekommen. Das sagte der kasachische Vize-Regierungschef Qanat Aldabergenuly Bosymbajew im Gespräch mit der kasachischen Nachrichtenagentur Tengrinews bei einem Treffen mit Vertretern der Untersuchungskommission am Unglücksort. 26 Verletzte wurden in Spitäler gebracht, zehn von ihnen sind in einem lebensbedrohlichen Zustand.
Nach Angaben des kasachischen Verkehrsministeriums befanden sich an Bord der Embraer 190 insgesamt 62 Passagiere und 5 Besatzungsmitglieder. Ein Video, das in den sozialen Medien kursiert, zeigt den Absturz.
Ein deutsches Mädchen unter den Passagieren
Die regionale Gebietsverwaltung von Mangistau veröffentlichte eine Liste der Verletzten: Demnach waren mindestens zwei Kinder an Bord. Ein Mädchen (11) gab an, in Deutschland zu wohnen. Seine Staatsangehörigkeit kenne es nicht.
Am Abend veröffentlichte die kasachische Agentur Tengrinews eine komplette Passagierliste, auf der auch die Staatsangehörigkeit fast aller Insassen aufgeführt wird. Bei einer Frau fehlten alle Angaben zur Person, ein elfjähriges Mädchen wurde mit deutscher Staatsangehörigkeit aufgelistet. Der Liste nach hatten 14 Überlebende die Staatsangehörigkeit von Aserbaidschan, 10 von Russland und 2 von Kirgistan. Azerbaijan Airlines stellte ihre Flüge in die russischen Städte Grosny und Machatschkala im Nordkaukasus ein.
Rettungskräfte haben Absturzstelle erreicht
Wie das Portal Tengri News berichtet, war das Flugzeug von der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku nach Grosny in der russischen autonomen Republik Tschetschenien unterwegs. Es habe demnach einen Notfall signalisiert. Zuvor war es wegen Nebels nach Machatschkala umgeleitet worden.
Rettungskräfte löschten einen Brand an der Absturzstelle erfolgreich. Aserbaidschan Airlines teilte seinerseits mit, die Maschine sei vom Kurs abgekommen und rund drei Kilometer von Aktau entfernt notgelandet. Aserbaidschanische Medien meldeten einen Vogelschlag als Ursache für den Absturz.
Aserbaidschanischer Präsident bricht Russland-Reise ab
Aserbaidschans First Lady Mehriban Alijewa (60), die zudem erste Vizepräsidentin des Kaukasuslandes ist, sprach den Angehörigen der Opfer ihre Anteilnahme aus. Auch Russlands Präsident Wladimir Putin (72) und Tschetschenen-Führer Ramsan Kadyrow (48) bekundeten ihr Beileid.
Aus dem Büro des aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew (63) hiess es, der Staatschef habe einen Besuch in Russland abgebrochen, wo er an einem informellen Gipfel der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) teilnehmen sollte. Alijew habe «die sofortige Einleitung dringender Massnahmen zur Untersuchung der Unglücksursache» angeordnet.
In sozialen Netzwerken kursierten zwar viele Videos des Unglücks, so Alijew weiter. «Doch die Gründe für den Absturz sind uns noch unbekannt.» Es gebe verschiedene Theorien. «Die Sache muss gründlich aufgeklärt werden», sagte er der staatlichen Nachrichtenagentur Azertag zufolge.
Möglicherweise von russischer Luftabwehr abgeschossen
Russische Militärblogger lieferten bereits eine Erklärung: Das Flugzeug könnte über dem Nordkaukasus in Zonen geraten sein, in denen am Mittwochmorgen ukrainische Drohnen bekämpft wurden. Der Flugzeugtracker Flightradar24 analysierte, dass die beschädigte Maschine die letzten 74 Minuten nur beschränkt steuerbar über das Kaspische Meer geflogen sei.
In Videos auf der Plattform X sind die Heckflügel der Maschine zu sehen, die deutliche Spuren von Einschusslöchern zeigen. Überprüfen lassen sich die Videos noch nicht. Ein Militärblogger schreibt jedoch bereits, dass die Löcher von einer neben dem Flugzeug explodierten russischen Luftabwehrrakete entstanden sein könnten. Diese hätte «höchstwahrscheinlich» den Absturz verursacht.
«Es gab eine Explosion»
Ebenfalls auf X ist unterdessen ein Video aufgetaucht, das das Innere der Maschine nach dem Absturz zeigen soll. Zu sehen ist auch, wie überlebende Passagiere versuchen, aus dem Wrack zu kriechen.
Einzelne Passagiere sollen bereits kurze Aussagen gemacht und Kommentare zu den Geschehnissen abgegeben haben. So sagt Zaur Mamedov, einer der Überlebenden des Flugzeugabsturzes: «Es gab eine Explosion – ich würde nicht sagen, dass sie im Flugzeug war. Dort, wo ich sass, flog das Innenfutter weg.»
Er fügte hinzu, dass er nach seiner Schwimmweste griff und ein Loch darin sah: «Ich nahm die Jacke und schaute: Da war ein Loch in der Jacke – ein Granatsplitter hatte sie durchbohrt. Nach dieser Explosion flog dieser Granatsplitter genau zwischen meine Beine – irgendwo dort – hinein und traf mich. Er durchbohrte die Jacke vollständig.»
Ermittlungen wurden eingeleitet
Aktau liegt im Westen Kasachstans. Moderne Jets sind eigentlich so konstruiert, dass sie die Kollision mit Vögeln überstehen. In schweren Fällen kann Vogelschlag aber immer noch Maschinen in Gefahr bringen.
Die Behörden in Kasachstan und Aserbaidschan leiteten Ermittlungen zu dem Unglück sein. Die aserbaidschanische Generalstaatsanwaltschaft teilte mit, ein Ermittlerteam sei nach Kasachstan entsandt worden. Das kasachische Innenministerium erklärte, die Ermittlungen bezögen sich unter anderem auf den Vorwurf der «Verletzungen der Sicherheitsvorschriften» im Flugverkehr.