Frau Miskovic, der Anteil Schülerinnen und Schüler, die nicht richtig lesen können, ist in der Schweiz seit 2015 auf 25 Prozent gestiegen. Was bedeutet es für die Arbeit von Lehrpersonen, wenn ein Viertel der Jugendlichen abgehängt wird?
Jeanina Miskovic: Wichtig scheint mir: Leseschwäche hat es auch schon vor dem sogenannten «Pisa-Schock» im Jahr 2000 gegeben. Da sie seither gemessen wird, ist die Aufmerksamkeit für das Thema viel grösser.
Dass früher nicht alles heile Welt war, macht es nicht besser.
Nein. Aber es sollte aufgezeigt werden, dass die Leseschwäche nicht einfach in den letzten Jahren entstanden ist. Damit will ich die Situation nicht schönreden. Dass immer mehr Jugendliche dem roten Faden in einem Text nicht mehr folgen können, ist ein Problem. Es ist wichtig, dass die Lehrerinnen und Lehrer das erkennen und entsprechend darauf reagieren.
Wie reagieren die Lehrpersonen?
An der Pädagogischen Hochschule Zürich machen wir die Leseförderung ab dem ersten Semester zum Thema. Wir zeigen den Studierenden auf, wie wichtig ein breites Verständnis von Lesen ist, an dem längerfristig und systematisch gearbeitet wird. Im Unterricht muss der Lesefluss trainiert werden, Schülerinnen und Schüler sollen Strategien erwerben und anwenden können, um Texte besser zu verstehen.
Kinder und Jugendliche konsumieren kaum noch analog, sie schauen kurze Videos, scrollen durch TikTok und Instagram statt Bücher zu lesen. Welche Konsequenzen hat das auf die Entwicklung der Sprachkompetenz?
Viele Jugendliche lesen heute tatsächlich vor allem kurze Texte, meistens Posts in den sozialen Medien. Aber vor der Digitalisierung haben auch nicht alle Kinder und Jugendlichen Bücher gelesen. Zudem kann das Lesen unabhängig vom Medium gefördert werden. Wichtig ist, dass Texte bewusst eingesetzt werden und Leseprozesse sorgfältig angeleitet werden.
Trotzdem: Muss der Unterricht stärker auf digitale Medien ausgerichtet werden?
Das findet bereits statt. Heute gibt es beispielsweise unzählige Erklärvideos. Mit ihnen kommen Jugendliche viel einfacher an Informationen, als wenn sie einen komplizierten Text lesen müssen. Wenn wir solche Entwicklungen weniger als Bedrohung, sondern als spannende Herausforderung sehen, können wir sie sinnvoll für den Unterricht nutzen. So kann man Jugendliche zum Beispiel selber solche Erklärvideos drehen lassen und dabei ein besonderes Augenmerk auf die Sprache legen. Was leisten Bilder, was leistet die Sprache? Was ist wann hilfreicher?
Die Lehrpläne werden immer umfassender, die Kinder müssen heute bereits in der Primarschule zwei Fremdsprachen lernen. Müssen die Stundenpläne entschlackt werden zugunsten von Grundkenntnissen wie Lesen, Schreiben, Rechnen?
Es geht mehr darum, Prioritäten zu setzen. Lesen und Schreiben sollte in allen Fächern bewusst eingesetzt werden. Vielerorts wird das bereits gemacht. Es braucht an den Schulen, aber auch an den Pädagogischen Hochschulen, eine noch engere Zusammenarbeit zwischen den Fächern. Sprache hat in allen Fächern grosse Bedeutung. Das müssen wir als Potenzial verstehen, um Lese- und Schreibkompetenzen zu stärken.
Dennoch: Was bringt das Lernen von zwei Fremdsprachen bereits in der Unterstufe, wenn immer weniger Kinder in der Muttersprache die Anforderungen erfüllen
Grundsätzlich gilt auch für Fremdsprachen: Je früher sie gelernt werden, desto einfacher fällt es. Natürlich muss immer abgeklärt werden, wo ein Kind möglicherweise überfordert ist. Zu sagen, Fremdsprachen sind in der Primarschule für alle eine Überforderung, wäre aber falsch. Für viele sind sie auch eine Chance.
Immer mehr Schweizer Jugendliche sprechen untereinander Englisch, so, als wäre es ihre Muttersprache. Wie wirkt sich das auf die Lese- und Sprachkompetenz der Jugendlichen aus?
Englisch ist die dominierende Sprache in der Musik und in den sozialen Medien. Die heutigen Jugendlichen sind damit gross geworden. Die englische Sprache ist für sie selbstverständlich und überall verfügbar. Sie brauchen sie aber eventuell auch, um sich abzugrenzen, um anders sein zu können als die Erwachsenen – ähnlich wie eine Jugendsprache.
Erwachsene reagieren oft mit Kopfschütteln, wenn Jugendliche Englisch statt Schweizerdeutsch sprechen.
Dabei sind Jugendliche durchaus sprachsensibel. Sie passen ihre Sprache je nach Situation an. In einem Vorstellungsgespräch werden sie kaum ungefragt ins Englische wechseln. Jugendliche testen die Sprache aus und sammeln Erfahrung. Wir müssen sie diesbezüglich ernst nehmen.
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