Für Ungeimpfte wirds bald ungemütlich
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Ohne Impfpass kein Restaurant:Für Ungeimpfte wirds jetzt ungemütlich

Kantone prüfen Zertifikatspflicht für Beizen, Fitnesscenter, Heimbesuche
Für Ungeimpfte wirds ungemütlich

In Italien und Frankreich darf niemand mehr ohne Impfpass in die Beiz, ans Konzert oder ins Kino. Nun denkt auch der oberste Gesundheitsdirektor der Schweiz über diesen Schritt nach.
Publiziert: 25.07.2021 um 00:42 Uhr
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Aktualisiert: 26.07.2021 um 15:42 Uhr
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In Italien und Frankreich darf niemand mehr ohne Impfpass in die Beiz, ans Konzert oder ins Kino.
Foto: keystone-sda.ch
Tobias Marti

Nun also auch Italien: neun Tage vor Ferragosto, dem Datum, an dem dort alle in die Ferien fahren, treten in unserem liebsten Urlaubsland einschneidende Einschränkungen für Menschen in Kraft, die weder gegen Corona geimpft sind noch über ein Impfzertifikat verfügen.

Ohne «Certificato verde» – in Italien ist das Onlinedokument grün – kein Museum, kein Kino und kein Konzert, verkündete Premier Mario Draghi am Freitag. Für besondere Wut bei seinen Staatsbürgern sorgte ein Restaurantverbot, das ebenfalls ab 6. August gilt. Bars, Trattorias oder Gelaterias werden zur «zona rossa», zur roten Zone: Wer sich dort aufhalten möchte, braucht einen Impfpass – da vergeht auch manchem Ferienhungrigen der Spass.

Dass der Sommerplausch getrübt werden könnte, stellte als Erster Frankreichs Präsident Emmanuel Macron klar. Um die Delta-Variante einzudämmen, wird für alle Franzosen ab August der Impfpass obligatorisch, wenn sie etwa ein Bistro besuchen oder im TGV reisen wollen, um nur zwei Lebensbereiche zu nennen.

Nur 46 Prozent vollständig geimpft

Unsere Nachbarländer im Süden und Westen machen also die Schotten dicht. Herr und Frau Schweizer fragen sich allmählich, wie es nach den grossen Ferien im eigenen Land weitergeht. Auch hier dümpelt die Impfkampagne vor sich hin. Erst 46 Prozent der Bevölkerung sind vollständig immunisiert. Und jeden Tag werden weniger Impfdosen verabreicht.

Derweil klettert die Fallzahl pro Tag bald wieder auf über 1000, wie das BAG diese Woche warnte, die Neuansteckungen verdoppeln sich schon länger jede Woche. Die Reproduktionszahl R – also die Quote der Ansteckungen durch Infizierte – steht bereits wieder auf 1,44.

Manche beschleicht da unweigerlich das Gefühl, es bahne sich gerade die nächste Welle an.

Bundesrat will erst bei neuen Hospitalisierungen durchgreifen

Noch setzt Bundesbern auf Zuckerbrot. Oder besser: auf Kuchen. Den offerierte diese Woche das Bundesamt für Gesundheit allen Willigen, die sich spontan auf dem Bundesplatz eine Spritze setzen liessen: «Überzeugungsarbeit statt Diskriminierung», fasste Virginie Masserey die Strategie des BAG zusammen. Erst bei 120 neuen Hospitalisierungen pro Tag will der Bundesrat wieder hart durchgreifen. Von diesem Wert sind wir noch weit entfernt. So lässt das Amt vorerst sein Impfmobil durchs Land rollen und hofft weiter auf die Kraft positiver Botschaften.

Andererseits mehren sich indes die Hinweise, dass auf das Zuckerbrot demnächst die Peitsche folgen könnte.

So antwortet Lukas Engelberger (45), Präsident der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK), auf die Frage des SonntagsBlicks, ob die Jugend vielleicht mit Extras geködert werden sollte: «Die Impfung ist Anreiz genug!» Dafür seien die vielen bereits Geimpften aus allen Altersgruppen ein Beweis. Auch das langfristig gültige Zertifikat hält Engelberger für ausreichend attraktiv, weitere Zückerchen seien daher im Moment nicht nötig.

Impfpflicht sei Eingriff in die persönliche Freiheit

Im Gegenteil: Die Kantone erwägen nun ernsthaft Einschränkungen für Ungeimpfte. Engelberger, baselstädtischer Regierungsrat und GDK-Präsident, gibt gegenüber SonntagsBlick unumwunden die Richtung vor: «Die Ausweitung der Zertifikatspflicht ist bei weiterhin steigenden Infektionszahlen und Hospitalisationen zu prüfen.»

Vom Impfpass-Obligatorium betroffen wären laut Engelberger «kleinere Veranstaltungen, Sportaktivitäten, Sportanlässe, Fitnesscenter, Gastronomie und Besuche in Spitälern und Pflegeheimen». Anders ausgedrückt: Die Schweiz steuert rasant in die gleiche Richtung wie in Italien und Frankreich.

Andere Vorschläge, wie man Impfmuffel motivieren könnte, verwirft der oberste Gesundheitsdirektor des Landes vehement. «Ich unterstütze das nicht», sagt er etwa zu dem Vorschlag, dass ungeimpftes Pflegepersonal künftig ein Kennzeichnen tragen müsse. «Das scheint mir ein unverhältnismässiger Eingriff in die persönliche Freiheit».

Impfen soll auch ohne Termin gehen

Auch die Forderung, dass Schnelltests für Partyvolk und andere Vergnügungssüchtige kostenpflichtig werden, weist Engelberger zurück: «Tests sollten weiterhin frei zugänglich bleiben.» Er befürchtet, dass sonst die Testbereitschaft bei den Jungen deutlich nachlässt.

In den Kantonen seien ohnehin Überlegungen im Gang, so der GDK-Präsident, um die Impfbereitschaft nach den Ferien weiter zu erhöhen. Landesweit sollen Spritzen ohne Termin verabreicht werden können. Mobile Impfequipen am Arbeitsplatz oder vor Einkaufszentren – wo das Angebot am Samstag besonders stark nachgefragt werde – kämen hinzu. Weiter soll die Migrationsbevölkerung gezielt angesprochen werden (SontagsBlick berichtete).

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Wie viele Wellen noch?

Dass die Ferien eine gewisse Verlangsamung der Impfkampagne mit sich bringen, war laut Engelberger zu erwarten. Er erklärt die Strategie der Kantone: «Nun braucht es einen langen Atem, damit wir die Abwartenden und Skeptischen auch noch von der Impfung überzeugen können.»

Nur: Wie kann man auch die Zauderer und Zögerer ins Boot holen? Das ist für die Behörden die Frage der Stunde. Wie Recherchen des SonntagsBlicks zeigen, bastelt auch das BAG hinter den Kulissen an einem neuen Instrument zur Beantwortung dieser Gretchenfrage. Das BAG bestätigt, dass dafür ein «Workshop in Planung» sei.

Daran freiwillig teilnehmen, so das Amt, können alle Kantone, das BAG agiert dabei «als Moderator und möchte eine Plattform anbieten, die zu einer Erhöhung der Impfquote führen kann». Die Umsetzung bleibe jedoch weiterhin Sache der Kantone. Welche Massnahmen in dem behördlichen Tête-à-Tête ausgeheckt werden könnten, darüber schweigt sich das BAG aus: Auf Anfrage heisst es lediglich, der Inhalt werde derzeit entwickelt; mehrere Stände hätten allerdings ein starkes Interesse daran geäussert. Offen bleibt auch, welche das sind, Datum und Anmeldefristen für die Schulung gibt es noch nicht.

So geht der Sommer ins Land, die Impfungen tröpfeln, und das Tüfteln der Behörden nimmt kein Ende. Plötzlich aber scheint das Undenkbare leider gar nicht mehr so abwegig: dass sich die Schweiz auf einen weiteren Herbst unter Corona-Konditionen einstellen muss.

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