Nach sechs Jahren spricht der Ex-Jugendanwalt Hansueli Gürber Klartext. Mit ihm hatte der Fall «Carlos» begonnen. Jetzt schildert der 68-Jährige seine Sicht auf den Skandal und macht seinen ehemaligen Vorgesetzten schwere Vorwürfe.
«Es ist unglaublich, dass die gesamte Zürcher Politzsene eigentlich weiss, was damals abgelaufen ist. Aber alle halten dicht. Ich habe es satt, die ganze Geschichte noch länger für mich zu behalten», sagt er gegenüber der «Schweiz am Wochenende».
«Wenn er will, bin ich in zwei Minuten tot»
Brian sei ein lebhafter Jugendlicher gewesen. «Er wollte etwas aus seinem Leben machen, er wollte jemandem werden», so Gürber. In der Schule war er auffällig, im Alter von 17 Jahren auf dem Stand eines Primarschülers. Eine Lehre zu absolvieren sei für Brian unmöglich gewesen. Zudem hätten alle möglichen Heime und Wohngemeinschaften abgesagt, ihn aufzunehmen.
«Wir standen vor zwei Möglichkeiten. Wir hätten ihn einfach auf die Strasse stellen und abwarten können, bis wieder etwas passiert. Das wollten wir nicht.» Das Sondersetting sei schliesslich die Alternative gewesen. «Er hatte so viele Muskeln, dass mir klar war: Wenn er will, bin ich in zwei Minuten tot. Das Thaiboxen hat dieses Kraftpaket nicht gesteigert, im Gegenteil. Er war zufriedener, hatte ein Ziel, wurde ausgeglichener und begann, seine Schläge zu reflektieren.» Brian habe einen Lernprozess gemacht.
Unbestritten sei, dass die Kosten dafür enorm hoch gewesen seien. Dies betonte er bereits im Jahr 2016 (BLICK berichtete). Etwas bereut Gürber aber bis heute: «Ich hätte die Aufnahmen aus dem Boxtraining nicht zulassen dürfen. Ich hätte das Spektakel aus dem Film rausnehmen sollen. Die Kraft dieser Bilder war kaum zu kontrollieren.»
Über die Jahre sei ein falscher Eindruck entstanden
Jedoch sei das Sondersetting mit seinem Vorgesetzten abgesprochen gewesen. «Er wusste über alles Bescheid, auch für den Film brauchte ich seine Genehmigung. Er wusste, wie viel das Sondersetting kostete. Es fanden regelmässig Sitzungen statt, die er leitete. Ich habe ausführlich über den Verlauf der Massnahme berichtet.» Trotzdem sei in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden, dass er heimlich gehandelt habe.
Gürber forderte eine Aussprache mit dem Leiter der Oberjugendanwaltschaft Marcel Riesen, dem damaligen Justizdirektor Martin Graf und dem Generalsekretär. «Ich verlangte, dass sie klar kommunizieren, dass ich nicht heimlich gehandelt habe. Ihre Reaktion ging mir durch Mark und Bein. Alle drei lachten schallend und sagten: Das machen wir sicher nicht», so der 68-Jährige.
Nun hat Gürber sein Schweigen gebrochen. «Ich halte es einfach nicht aus, dass dieser ganze Politklüngel Bescheid weiss, aber alles unter dem Deckel hält. Ich bin für Transparenz und Ehrlichkeit.» (frk)
Der «Fall Carlos» sorgt seit 2013 für Schlagzeilen. Beim Namen Carlos handelte es sich um ein Pseudonym, das ihm von den Medien verliehen wurde. Weil sich der junge Intensivtäter in einem Beitrag der SRF-«Rundschau» erbeten hat, beim richtigen Vornamen genannt zu werden, kommt auch BLICK ab sofort seinem Wunsch nach. Aus Carlos wird Brian.
Der «Fall Carlos» sorgt seit 2013 für Schlagzeilen. Beim Namen Carlos handelte es sich um ein Pseudonym, das ihm von den Medien verliehen wurde. Weil sich der junge Intensivtäter in einem Beitrag der SRF-«Rundschau» erbeten hat, beim richtigen Vornamen genannt zu werden, kommt auch BLICK ab sofort seinem Wunsch nach. Aus Carlos wird Brian.