Daniel Koch sprach es am Donnerstag klipp und klar aus: «Die Welle ist da», sagte der Mann vom Bundesamt für Gesundheit (BAG), der die Schweiz mehrmals wöchentlich über den Stand der Corona-Krise informiert.
Nun hat das Virus also die Schweiz erfasst. Die Zahl der Infizierten steigt rasant. Auf die Spitäler kommt ein historischer Stresstest zu. Was im schlimmsten Falle droht, zeigt ein Blick wenige Kilometer über die Grenze im Tessin hinaus: In Norditalien ist die Virus-Welle bis zum Rand einer Katastrophe angewachsen.
«Es ist Krieg»
Die Notfallstationen der Lombardei stehen am Rande des Zusammenbruchs. Täglich werden Dutzende Menschen eingeliefert, alle mit der gleichen Diagnose: beidseitige Lungenentzündung. Viele von ihnen können nicht mehr aus eigener Kraft atmen – doch die Beatmungsgeräte werden knapp.
Daniele Macchini, Assistenzarzt im Spital Bergamo, schildert die dramatische Situation in einem Hilferuf auf Facebook: «Es ist Krieg, und die Schlachten finden ununterbrochen statt, Tag und Nacht.» Der Krieg, den er meint, ist der Kampf gegen Covid-19.
Zusammenbruch auch in der Schweiz?
Drohen ähnliche Zustände auch in der Schweiz? Völlig ausgeschlossen ist das nicht. Nur eines steht schon heute fest: Rund fünf Prozent der Erkrankten brauchen Intensivpflege mit künstlicher Beatmung von bis zu vier Wochen. Klar ist auch: In der Schweiz gibt es gegenwärtig 1000 Betten auf Intensivstationen, 850 davon sind mit Beatmungsgeräten ausgerüstet.
Erkranken 20 Prozent der Bevölkerung – ein durchaus realistisches Szenario – dann brauchen in den nächsten Monaten mindestens 80 000 Menschen ein Beatmungsgerät. Dazu der Basler Spitalhygieniker Andreas Widmer: «Wir müssen die Welle von Covid-19-Patienten brechen, sonst geraten wir in einen Tsunami.» Je langsamer die Ansteckungswelle ansteigt, desto leichter verkraftbar wäre sie für die Spitäler (siehe Grafik).
Spitäler stellen auf den Krisenmodus um
Im Unterschied zu Norditalien, wo der Tsunami unerwartet über die Spitäler hereinbrach, haben Schweizer Gesundheitseinrichtungen Zeit, sich zu wappnen. Und das tun sie in diesen Tagen unter Hochdruck. Spätestens ab Montag stellen die meisten Spitäler auf den Krisenmodus um. Konkret heisst das: Nicht überlebenswichtige Operationen werden abgesagt, das Besuchsrecht eingeschränkt, das Personal darf nicht mehr in die Ferien.
Stephan Jakob (62), Direktor für Intensivmedizin am Berner Inselspital: «Wir haben Vorbereitungen für einen grossen Patientenanfall getroffen.» Es bestehe die Möglichkeit, zusätzliche Beatmungsplätze und alternative Behandlungsräume zur Verfügung zu stellen – etwa Operationssäle.
Das Verteidigungsdepartement hat unterdessen ein nationales Meldesystem installiert, um stets über die Zahl der Intensivpflegeplätze in den Spitälern informiert zu sein. Die Armee ist zudem dabei, zusätzliche Beatmungsgeräte zu beschaffen.
Begrenzte Kapazitäten
Beliebig ausgebaut werden kann die Zahl der Plätze allerdings nicht. Denn für die Betreuung braucht es geschultes Personal. Und das ist ohnehin knapp. Experten sehen voraus, dass die Kapazität schweizweit höchstens um 30 Prozent erhöht werden kann. Yvonne Ribi vom Schweizer Pflegeverband: «Die Lage ist sehr angespannt. In den Intensivpflegestationen und auf dem Notfall sind Überstunden unvermeidbar. Es braucht Zusatzschichten.» (Interview)
Und noch etwas kommt hinzu: Die Spitäler müssen auch neben den Corona-Patienten weiterfunktionieren. Bei Opfern von Autounfällen, Hirnschlag-Patienten oder Menschen mit Herzinfarkt.
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
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