Corona-Lockdowns werden in der Schweiz ausgerufen, als würden Dominosteine fallen: Vom Südwesten der Schweiz aus scheint sich eine zweite Lockdown-Welle auszubreiten. Erst waren es die Kantone Genf, Jura und Neuenburg. Am Dienstag haben auch Freiburg und die Waadt angekündigt, das öffentliche Leben wieder herunterzufahren. Restaurants, Bars, Museen, Kinos und Fitnesscenter müssen ab Donnerstag dichtmachen. Nur noch bis zu fünf Personen dürfen sich treffen. Folgt jetzt ein Dominoeffekt mit einer Lockdown-Welle von Ost nach West?
Die Infektionskurven steigen auch bei der zweiten Welle in der welschen Schweiz stärker an als in der östlichen Schweiz. Inzwischen haben auch Freiburg und die Waadt am Dienstagabend einen Teil-Lockdown ausgerufen.
Die Spitäler in der Romandie sind am Anschlag, insbesondere in Genf und Freiburg. Nicolas Blondel, leitender Arzt am Kantonsspital Freiburg, richtete am Montag mit einem dramatischen Appell an die Bevölkerung. «Jede Viertelstunde fährt ein Krankenwagen ins Spital». Momentan würden 185 Patienten mit Covid-19 im Kantonsspital liegen. «Und wenn es so weitergeht, werden wir wahrscheinlich am Dienstag, Mittwoch oder Donnerstag keinen Platz mehr haben.» Der Kanton Freiburg stehe «am Rande einer gesundheitlichen Katastrophe», so Blondel. Es gebe auch viele jüngere Patienten, manche unter 40. «Die hoch entwickelte Schweiz hat versagt», so Blondel. Jeder zweite Covid-19-Test im Kanton falle positiv aus.
Zentralschweiz sorgt vor
Als nächster Kanton dürfte das Wallis vom Dominoeffekt eingeholt werden. Laut Bundeszahlen weist der Kanton die derzeit höchste Ansteckungsrate der Schweiz auf mit 1198,7 Neuansteckungen pro 100'000 Personen in den vergangenen sieben Tagen. Die Kantonsregierung will Berichten zufolge am Mittwochmorgen über weitere Massnahmen beraten in dem Bergkanton, wo das öffentliche Leben bereits stark eingeschränkt ist.
Der Kanton Bern grenzt an die sich ausbreitenden Infektionszone. Im zweitgrössten Kanton der Schweiz herrschen bereits seit dem 24. Oktober strenge Regel. Im Unterschied zu Genf sind einzig noch Restaurants und Non-Food-Geschäfte weiterhin offen.
Die beiden Basel scheinen trotz ihrer geografischen Nähe zur französischen Schweiz noch abzuwarten, während die weiteren Deutschschweizer Kantone Luzern und Solothurn vorsorglich bereits striktere Massnahmen beschlossen haben, um die Übertragungsketten zu unterbrechen. Erotik- und Sexbetriebe sind geschlossen, in Luzern gilt Maskenpflicht im eigenen Auto, wenn eine nicht im gleichen Haushalt lebende Person mitfährt. Dies, während die Innerschweizer Kantone Uri, Schwyz, Nid- und Obwalden soeben eine gemeinsame Obergrenze für öffentliche Veranstaltungen mit maximal 30 Personen beschlossen haben. Der Bundesrat würde 50 erlauben.
Zögern im Osten
Je weiter entfernt von der welschen Schweiz, desto lockerer werden die Eingriffe ins öffentliche Leben. Zürich wirkt noch verhältnismässig streng. Der Kanton hat bei einer erweiterten Maskenpflicht den Betrieb von Diskotheken und Tanzlokalen verboten und den Betrieb von Restaurants und Bars eingeschränkt. Auch öffentliche und private Veranstaltungen sind eingeschränkt und sportliche und kulturelle Anlässe mit bis mehr als 15 Personen untersagt.
Dabei gehen weder Zürich noch St. Gallen, der Thurgau oder die beiden Appenzell weiter, als es der Bund verlangt. Und würde sich Glarus an sein eigenes, im August ausgearbeitetes Rebound-Notfallkonzept halten, müsste inzwischen Alarmstufe Rot mit Lockdown herrschen. Die aktuelle Sieben-Tage-Inzidenz von 235,1 Neuinfektionen pro 100'000 Personen liegt schweizweit zwar tief, doch deutlich über dem eigenen Richtwert der Glarner Behörden von 45 Fällen pro Woche und 100'000 Personen.
Nervosität auch in St. Gallen. Laut Kantonsärztin Danuta Zemp haben die Fallzahlen in den letzten drei Wochen stark zugenommen, berichtet das «Tagblatt». Der Patientenstrom liege deutlich über der Grenze, die sich die Behörden gesetzt hätten. Neu sind in St. Gallen Spitalbesuche nur noch in Ausnahmesituationen erlaubt und in Sekundarschulen herrscht Maskenpflicht. Gegen Ende der Woche werde sich zeigen, so Zemp, ob die Zahlen aufgrund der neuen Regeln nun abflachen. (kes)