Andere Länder haben das Bergfest in Sachen Omikron bereits gefeiert, in der Schweiz befinden wir uns erst inmitten der Welle. Trotz der hohen Fallzahlen im Zusammenhang mit dem Coronavirus zeigt sich Manuel Battegay (61), Infektiologe am Universitätsspital in Basel, gegenüber der «Sonntagszeitung» insgesamt «vorsichtig optimistisch».
Eine komplette Entwarnung gibt der Arzt jedoch nicht, man müsse in der jetzigen Situation «wirklich aufpassen». So appelliert er im Interview nochmals an die Bevölkerung, betont die Wichtigkeit der Impfungen gegen das Coronavirus – und fordert in Situationen wie am Lauberhornrennen gar eine Maskenpflicht.
Risikopersonen sollen nicht mehr ins Restaurant
«Bei Grossveranstaltungen muss man in den nächsten zwei bis vier Wochen aber sehr gut überlegen, ob man da teilnehmen will», gibt Battegay zu bedenken. «Die Menschen sollen an sich selber denken und Mitverantwortung übernehmen. Und die Veranstalter sollten sich gut überlegen, wie sie verhindern können, dass die Verbreitung des Virus nicht unnötigerweise noch weiter angeheizt wird.» Eine Maskenpflicht wäre im Zusammenhang mit singenden, laut jubelnden Menschenmassen «vernünftig», findet der Infektiologe.
Schuld an den extrem hohen Corona-Fallzahlen sei derweil definitiv die Omikron-Variante. Diese würde zwar sehr viel bestimmen und vorgeben, «aber nicht alles». Deswegen gelte: «Wir dürfen uns deswegen keinesfalls passiv verhalten, sondern wir sollten dem zirkulierenden Virus trotzdem bestmöglich aktiv begegnen.» Was das konkret bedeutet? «Die Impfung ist das Wichtigste. Es tut mir weh, wenn sich jetzt jemand ungeimpft dem Omikron-Virus aussetzt!» Auch sollten Personen mit Risiken und ohne Booster-Impfung laut Battegay davon absehen, beispielsweise ins Restaurant zu gehen. «Denn für sie ist das Risiko für einen schweren Verlauf auch bei Omikron viel höher.»
Infektiologe sieht die Schweiz am «Übergang zur Endemie»
Omikron unterscheidet sich in vielerlei Aspekten von früheren Varianten des Coronavirus. Dies sei aber zu erwarten gewesen, so Battegay. «Infektiologen und Virologen kann das nicht überraschen. Das Grippevirus ist extrem variabel, auch das HI-Virus kann sich theoretisch jeden Tag vollständig ändern.» Er erwartet, dass noch weiter Virusvarianten kommen werden, doch diese werden es wohl schwerer haben als beispielsweise Omikron. Der Grund: «Wegen der hohen Gesamtimmunität der Bevölkerung muss das Virus Kompromisse eingehen und sich einen Weg suchen.» Einen «Riesensprung» erwartet der Infektiologe aber nicht mehr. Denn je höher die Gesamtimmunität der Bevölkerung sei, desto weniger virulent könnten künftige Virusvarianten werden.
Obwohl Battegay den warnenden Zeigefinger in die Höhe hält, stellt er auch gute Nachrichten in Aussicht. Er bestätigt, dass man am Übergang von der Pandemie zur Endemie stehen würde. Entwarnung könne man jedoch nicht geben, es sei gut möglich, dass «wir nochmals einen Berg vor uns haben». So könnte das Gesundheitssystem in den kommenden Wochen nochmals stark unter Druck geraten. «Aber ich möchte auch eine vorsichtige Zuversicht äussern. Der Weg, den die Schweiz zwei Jahre beschritten hat und für den wir in der zweiten Welle einen hohen Preis bezahlt haben, dieser Weg hat dazu geführt, dass die Gesamtimmunität in der Bevölkerung schon hoch genug sein könnte, sodass die Belastung des Gesundheitssystems nicht noch höher wird.» (chs)