«Ihr seid völlig beknackt»
Touristen sind über Schweizer Brauch entsetzt

Bei der Gansabhauet gewinnt, wer blind eine tote Gans köpft. Die Tradition aus Sursee LU reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Von anderen gibts dafür scharfe Kritik – auch aus dem Ausland.
Publiziert: 14.11.2023 um 11:01 Uhr
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Aktualisiert: 14.11.2023 um 11:17 Uhr
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Die Gansabhauet in Sursee sorgt für Kritik.
Foto: Keystone

Nach zehn und acht Hieben waren am Samstag die toten Gänse enthauptet und zwei glückliche Gewinner durften sie als Preis mit nach Hause nehmen. Die traditionelle Gansabhauet in Sursee LU zieht jährlich Tausende Besucher an. Bei vielen Aussenstehenden sorgt die Innerschweizer Tradition für Entsetzen, doch Einheimische hängen daran. 

Schon im Spätmittelalter soll es den umstrittenen Brauch gegeben haben. Heute ist die Gansbhauet ein Volksfest, bei dem Familien sich auch im Stangenklettern, Sackhüpfen und «Chäszänne» (Grimassen schneiden) messen. Doch die Hauptattraktion ist die Gans-Köpfung.

Bevor sie versuchen, die Gans zu enthaupten, trinken Teilnehmende Rotwein und setzen eine Sonnenmaske auf. Dadurch sehen sie nichts. Dann drehen sie sich um die eigene Achse. Die tote Gans ist an einem Seil aufgehängt. Mit einem stumpfen Dragonersäbel soll die Gans enthauptet werden – jeder Teilnehmende hat nur einen Versuch.

Barbarei mit Tradition?

«Der Brauch mutet wie aus einer mittelalterlichen Netflix-Serie an», beschreibt das deutsche Onlineportal «t-online» die Schweizer Tradition. Die Schweizer Grünenpolitikerin Meret Schneider kritisierte vergangenes Jahr auf X: «Inwiefern geht das mit dem Tierschutzgesetz konform? What's next? Katzen verbrennen? Barbarei hat schliesslich Tradition.»

Die daraufhin gestartete Petition für eine tierfreundliche Alternative des Brauchs bekam nur 1900 Unterschriften – und scheiterte damit. «Aktuell sind keine negativen Stimmen zu uns gelangt», sagte Erich Felber, Präsident der Kommission Gansabhauet, kurz vor dem Volksfest zur «Luzerner Zeitung»

«Ihr Schweizer seid beknackt»

Bei Touristen sorgt die Gansabhauet für grosse Empörung. «Ich kann nicht fassen, dass ihr Schweizer das ernst meint», sagt eine Touristin aus Taiwan zu «20 Minuten» und kritisiert, dass Kinder Zeugen von etwas so Grausamem werden. «Wir wussten, dass ihr ein verrücktes Volk seid, aber nach dieser Aktion finde ich, ihr Schweizer seid völlig beknackt», pflichtet ihr Freund bei.

Dass der Brauch heute für Kritik sorgt, weiss die Stadt Sursee. Sie betont aber, dass die Gansabhauet für viele Wertschätzung gegenüber der Gans ausdrücken soll. Das Tier sei im Mittelalter wegen des Fleischs wertvoll und teuer gewesen. «Ich wüsste nicht, warum man jetzt mit dieser Tradition aufhören sollte. Hier macht man das seit eh und je», so ein Surseer zu «20 Minuten».

«Wenn ich an all die schönen Traditionen rundherum denke, wird mir warm ums Herz», sagt Samuel Zbinden, Präsident der Grünen Sursee, über die Gansabhauet. «Dass der Anlass gerade bei Leuten, die nicht damit aufgewachsen sind, Erstaunen und auch Empörung auslöst, kann ich verstehen.» Zbinden betont aber, dass man den Fokus lieber auf die Bekämpfung von Massentierhaltung, als auf die Abschaffung einer alten Tradition setzen sollte. (jwg)

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