Das Grundwasser in der Schweiz ist zunehmend in Gefahr. Wegen Pestiziden, vor allem aber auch wegen des Nitrats, das von Äckern und Feldern ins Grundwasser gelangt.
Das zeigt der neue Grundwasser-Bericht Naqua des Bundesamts für Umwelt (Bafu), der Mitte Monat veröffentlicht wurde. Darin wurde das Bafu deutlich: Vor allem die Bauern verseuchen das Grundwasser (BLICK berichtete).
Kein Wunder: Viele von ihnen missachten seit Jahrzehnten immer wieder den Gewässerschutz, indem sie viel zu viel Gülle über Bäche und Flüsse verteilen oder riesige Misthaufen verbotenerweise auf Feldern lagern. BLICK liegen zahlreiche Fälle aus den Jahren 2018 und 2019 vor, in denen Bauern durch ihr Handeln das Grundwasser bedroht haben.
Misthaufen verwandeln Bäche in stinkende Rinnsale
Die aktuellsten: In Törbel VS entdeckt eine Wanderin Ende Juli auf der Moosalp einen beissend stinkenden Bach. Statt Wasser führt er nur noch schäumende Gülle – ein Giftcocktail für jedes Lebewesen.
Grundwasser enthält an sich nur wenig Nitrat. Soll es für Trinkwasser genutzt werden, darf der Grenzwert laut Gewässerschutzgesetz bei maximal 25 Milligramm Nitrat pro Liter liegen. Extrem: In Niederbipp BE wurden im November 2012 bis zu 111,4 Milligramm gemessen.
Das ist gefährlich für Mensch und Tier. Zwar ist Nitrat an sich noch nicht giftig. Im Magen-Darm-Trakt wird es aber zu giftigem Nitrit umgewandelt. In grösseren Mengen verhindert es, dass Blut Sauerstoff transportieren kann. Gefährdet sind insbesondere Babys. Ihnen droht der Erstickungstod durch Sauerstoffmangel im Blut. Nitrit ist zudem krebserregend.
Der Grundstoff Nitrat hat aber auch folgen für die Umwelt. In Bächen und Seen fördert es das Algenwachstum – diese entziehen dem Wasser Sauerstoff. Fische und andere Lebewesen sterben. Flavio Razzino
Grundwasser enthält an sich nur wenig Nitrat. Soll es für Trinkwasser genutzt werden, darf der Grenzwert laut Gewässerschutzgesetz bei maximal 25 Milligramm Nitrat pro Liter liegen. Extrem: In Niederbipp BE wurden im November 2012 bis zu 111,4 Milligramm gemessen.
Das ist gefährlich für Mensch und Tier. Zwar ist Nitrat an sich noch nicht giftig. Im Magen-Darm-Trakt wird es aber zu giftigem Nitrit umgewandelt. In grösseren Mengen verhindert es, dass Blut Sauerstoff transportieren kann. Gefährdet sind insbesondere Babys. Ihnen droht der Erstickungstod durch Sauerstoffmangel im Blut. Nitrit ist zudem krebserregend.
Der Grundstoff Nitrat hat aber auch folgen für die Umwelt. In Bächen und Seen fördert es das Algenwachstum – diese entziehen dem Wasser Sauerstoff. Fische und andere Lebewesen sterben. Flavio Razzino
In Bichwil SG hat ein Schafzüchter Anfang August sogar beinahe seine Tiere vergiftet. Als er Wasser aus dem Wiesenbach nahe seiner Weide entnehmen wollte, bemerkte er, dass es moosgrün verfärbt ist. Dies, weil ein Bauer auf der angrenzenden Weide Gülle über den Wiesenbach ausgetragen hatte.
Auch in S-chanf GR im Engadin liegt seit langer Zeit ein immer grösser werdender Misthaufen saftend auf dem Feld – obwohl das verboten ist. Denn: Durch den Regen und den Schnee werden Giftstoffe wie Nitrate aus dem Misthaufen ausgeschwemmt. Güllepfützen neben dem Haufen zeigen deutlich: Hier versickern schädliche Mistsäfte in rauen Mengen.
Zu viel Nitrat bei 40 Prozent der Grundwassermessungen
Im Berner Oberland, in Schwyz, im Prättigau oder im Toggenburg sieht es nicht besser aus: Überall missachten Bauern immer wieder den Gewässerschutz. Und dies, obwohl seit 1991 mit dem Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer geregelt wäre, wie und wann Bauern Mist und Gülle austragen dürfen.
Und das Ergebnis ist beunruhigend: 80 Prozent des Trinkwassers wird aus Grundwasser gewonnen. Die Warnung im Bafu-Bericht: «Die Grundwasservorkommen weisen zunehmend Verunreinigungen auf, die mehrheitlich aus der Landwirtschaft stammen.» Konkret: Jede siebte Grundwassermessstelle wies mehr Nitrate aus als erlaubt. Im Mittelland sind es gar 40 Prozent der gemessenen Werte.
Kein Wunder, sagen Experten. Agrarwissenschaftlerin Marianne Bodenmann (73) berichtet: «Seit Jahrzehnten forscht der Bund, wie ökologische Landwirtschaft betrieben werden kann – in der Praxis sind wir aber vielerorts nicht viel weitergekommen. Mir stinkt das!» Bodenmann war ehemalige Kommunikationschefin der Forschungsanstalt für Agrarökologie und Landbau in Reckenholz ZH – heute Teil von Agroscope. Sie weiss: «Das Problem sind in der Schweiz nicht die Gesetze. Diese sind gut. Das Problem ist vielmehr der Vollzug.»
Kontrolliert werde in den wenigsten Kantonen, und häufig werden solche Aufgaben an die Gemeinden delegiert. «Diese haben aber kaum Kapazitäten dafür – oder möchten es sich gerade in ländlichen Regionen mit den Bauern nicht verscherzen», so Bodenmann.
Mist-Chaos im Toggenburg
Dass es beim Vollzug hapert, zeigte der Fall eines Toggenburger Bauern 2016 in Wildhaus SG beispielhaft: So wurde er dabei erwischt, wie er seine Gülle bei Starkregen über einen Bach ausgebracht hat. Die Thur schäumte, die Umweltschützer sowieso. Die «Toggenburger Zeitung» berichtete darüber.
Der Gemeindepräsident von Wildhaus sah damals trotzdem keinen Handlungsbedarf. Er werde das persönliche Gespräch mit dem Bauern suchen. Ein Strafverfahren rege man aber in Wildhaus grundsätzlich nie an. Später stellte sich heraus, dass ein Mitarbeiter des damaligen Gemeinde-Vize die Gülle über den Wiesenbach verteilt hatte.
Ebenfalls im Toggenburg – am letzten Donnerstag: In Ebnat-Kappel SG liegt seit Jahren ein ungedeckter Misthaufen neben einer Scheune unweit eines Bachs. Regnet es, läuft die braune Brühe in die Wiese. Klare Sache: Der Miststock verletzt hier den Gewässerschutz.
Kontrollen werden hin- und hergeschoben
Doch wer handelt nun? BLICK konfrontiert zuerst die Gemeinde. Sofort beginnt das Schwarzer-Peter-Spiel. Der zuständige Gemeinderat verweist an den Kontrolldienst in Flawil SG. Der Kontrolldienst sagt hingegen: Dafür sind nicht wir zuständig, sondern das kantonale Amt für Umwelt. Der Kanton spielt den Ball zurück: Die Gemeinde sei hier in der Pflicht.
Schliesslich wird der Miststock in Ebnat-Kappel zur Chefsache. Gemeindepräsident Christian Spoerlé räumt am Ende gegenüber BLICK ein: «Wir werden den Bauern darauf ansprechen. Tatsächlich geht das so nicht mit diesem Miststock.»
Für Marianne Bodenmann ist klar: Genau ein solches Chaos hilft jenen Bauern, denen der Gewässerschutz egal ist. Denn: «Am Ende haben sie ja kaum Konsequenzen zu befürchten.» Die Motivation, Geld in sichere Mistlager, genügend grosse Güllegruben und eine korrekte Hofentwässerung zu investieren oder Gülle umweltschonend auszubringen, bleibe gering. Bodenmann warnt: «Die Folgen baden wir alle aus – indem unser Grundwasser verschmutzt wird und die Trinkwasserversorgung je länger, je komplizierter organisiert werden muss.»
Bauernverband sieht Bauern als Opfer
Trotz dieser vielen Beispiele: Markus Ritter, Präsident des Schweizerischen Bauernverbandes, sieht die Bauern auch diesmal als Opfer. «Bei der Publikation des Naqua-Berichts hat das Bafu pures Bauern-Bashing betrieben», sagt Ritter. Für ihn ist nämlich alles nur halb so schlimm. Er lese aus dem Bericht, dass das Grundwasser in gutem Zustand sei. Und kehrt das Ergebnis einfach um – und sagt: «Schliesslich sind an sechs von sieben Messstellen die Nitrat-Werte unbedenklich», so Ritter.
Man stehe hinter dem Gewässerschutzgesetz und fordere die Bauern auch dazu auf, diese zu befolgen. «Das ist wichtig für uns alle», so Ritter. Aber es könne wegen starker Niederschläge schon mal passieren, dass da und dort Nitrate ausgeschwemmt würden.
Tatsächlich gibt es schon Gemeinden, die wegen zu hoher Nitrat-Gehalte ihren Wasserbedarf nicht mehr mit eigenem Grundwasser decken können. So hat Meisterschwanden AG ernste Probleme. Prekär ist auch die Lage in Niederbipp BE. 25 Milligramm Nitrat pro Liter dürfen im Grundwasser maximal nachgewiesen werden – so sieht es das Gewässerschutzgesetz vor. In Niederbipp waren es bei einer Messung 2012 rekordverdächtige 111 Milligramm. Das kann langfristig auch für die Nachbargemeinde Oensingen SO Probleme bereiten. Trübe Aussichten.
Zusammen mit der Vollzugshilfe ist das Schweizer Gewässerschutzgesetz aus dem Jahr 1991 ziemlich verständlich: Miststöcke müssen auf Betonplatten liegen, der Abfluss darf nicht versickern, sondern muss in den Güllenkasten führen. Und: Grundsätzlich ist das Zwischenlagern von Mist auf dem Feld nicht erlaubt. Je nach Betrieb darf er aber für wenige Tage bis maximal sechs Wochen draussen liegen. Sofern der Misthaufen mit wasserabweisendem Vlies zugedeckt wird.
Beim Ausbringen von Gülle gibt es ebenfalls klare Vorschriften: Den Bauern ist es etwa verboten, Gülle auszutragen, wenn es stark regnet oder die Böden bereits wassergesättigt, gefroren oder schneebedeckt sind. Ebenfalls dürfen Bauern nur während der Vegetationszeit beschütten. Bei der Menge gilt: Sie dürfen nicht mehr düngen, als Pflanzen Nährstoffe benötigen. Und klar: Wiesen und Felder sind keine Gülle-Deponien.
Wird ein Gewässerschutzverstoss tatsächlich mal geahndet, hat das finanzielle Folgen für die Bauern: So werden ihnen die Direktzahlungen gekürzt. Ein Gewässerschutzverstoss ist dann auch ein Offizialdelikt – die Behörden müssen von Amts wegen solchen Verstössen nachgehen. Tun sie das nicht, verletzen sie ihre Dienstpflicht. Flavio Razzino
Zusammen mit der Vollzugshilfe ist das Schweizer Gewässerschutzgesetz aus dem Jahr 1991 ziemlich verständlich: Miststöcke müssen auf Betonplatten liegen, der Abfluss darf nicht versickern, sondern muss in den Güllenkasten führen. Und: Grundsätzlich ist das Zwischenlagern von Mist auf dem Feld nicht erlaubt. Je nach Betrieb darf er aber für wenige Tage bis maximal sechs Wochen draussen liegen. Sofern der Misthaufen mit wasserabweisendem Vlies zugedeckt wird.
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