Das Coronavirus überwand Meere, Berge und Landesgrenzen in Tagen. Wurde innert kürzester Zeit von China bis in die Schweiz geschleppt. Doch bei uns trifft der weltweit aktive Erreger auf den Kantönligeist. Darf ich am Wochenende in einen Club oder ins Kino? Findet meine Sportveranstaltung statt? Einfache Fragen – unterschiedliche Antworten.
Wer zum Beispiel zu krank aussieht, um in einen Zürcher Club zu kommen, darf ennet der Stadtgrenze munter weiterfeiern. Aber auch zwischen den verschiedenen Branchen gibt es massive Unterschiede. «Ungleiche Regelungen verwirren und verunsichern die Leute unnötig», sagt Mediziner und alt Ständerat Felix Gutzwiller (72).
In Zürich herrschen seit dieser Woche beispielsweise verschärfte Regeln im Ausgang. Die «Bar & Club Kommission Zürich» hat sich – aus Angst, dass die Betriebe komplett geschlossen werden könnten – selber Auflagen gemacht: Wer in einen Club will, muss seine Personalien und eine Telefonnummer angeben. Kranke Gäste sollen gar nicht erst reingelassen werden. Die Clubs lassen sich aber nur zähneknirschend auf die neuen Regeln ein, aus Angst dass ihnen der Kanton die Licher löscht. «Auf uns lastet ein riesiger öffentlicher Druck, wohingegen der ÖV oder der Detailhandel, wo die Leute auch eng aufeinander sind, gar kein Thema ist», sagt Alex Flach, der für verschiedene Zürcher Clubs die Kommunikation leitet.
Absurde Vorschriften, administratives Chaos
Besonders strenge Regeln herrschen in Chur. Mehr als 50 Personen dürfen zum Beispiel nicht in einen Kinosaal. Wie es in anderen Städten und Kantonen aussieht, wissen teilweise nicht einmal mehr die Kinobetreiber selber. Bei den Kitag-Kinos will man konkrete Fragen zu Sälen, die mehr als 150 Personen fassen, nicht beantworten. Andere Kinobetreiber geben an, es sei ihnen selber noch nicht klar, was von ihnen nun genau gefordert wird. Namentlich erwähnt werden möchte niemand – keiner will den Eindruck erwecken, die Corona-Gefahr nicht ernst zu nehmen.
Seltsame Blüten treibt die Corona-Angst auch im Sport. So musste ein Bündner Klub zu Hause vor leeren Rängen spielen. Das Auswärtsspiel gegen den gleichen Gegner fand dann aber wieder vor Publikum statt. Heisst: Dass sich die Bündner Fans in der Heimat treffen, ist zu gefährlich – eine Zugfahrt durch die halbe Schweiz mit anschliessendem Match ist aber kein Problem. «Das ist absurd und ein riesiger Zusatzaufwand», heisst es von Swiss Unihockey.
Ansteckungsgefahr variiert nicht in der Ortswahl
Mediziner und Politiker Felix Gutzwiller sagt: «Es gibt keinen medizinischen Grund für eine Ungleichbehandlung. Die Ansteckungsgefahr ist an einem Ort nicht höher als an einem anderen. Ich würde mir wünschen, dass die Kantone gemeinsam vorgingen.» Eine Vereinheitlichung mache medizinisch Sinn und vermeide auch Streit zwischen den Branchen.
Der Immunologe Beda Stadler (69) formuliert pointiert: «Vielleicht müssten die Politiker ihre Plätze vor den TV-Kameras besser den Fachleuten überlassen.» Er mahnt: «Es geht nicht um die nächste Wiederwahl, sondern darum, die Leute zu schützen.»
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
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