Dorf-Posse in Tavetsch GR
Darum sieht diese Bündner Strasse so schräg aus

Weil sich ein Grundstückbesitzer in Tavetsch GR weigert, seine Parzelle der Gemeinde zu verkaufen, sieht eine neu sanierte Strasse nun komisch aus. Zu Ende ist die Geschichte damit aber nicht.
Publiziert: 04.06.2022 um 00:04 Uhr
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Aktualisiert: 04.06.2022 um 09:52 Uhr
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So sollte eine Strasse nicht aussehen. In Tujetsch GR tut sie es, obwohl sie gerade frisch saniert wurde.
Foto: Zvg
Fabian Vogt

Mit dieser Strasse stimmt etwas nicht – ganz und gar nicht. An einer Stelle ist die Bahnhofsstrasse in Tavetsch GR plötzlich enger als sonst. Über 20 Meter erstreckt sich das kleine Stück. Als wäre beim Coiffeur jemand mit der Maschine abgerutscht und hätte aus der schön gestylten Frisur einen Militär-Look gemacht.

Während aber beim Friseur der Fauxpas rasch ausgemerzt werden kann, dürfte das beim 2000-Einwohner-Dorf in der Surselva einiges länger dauern. Denn die Verengung war kein Pfusch, sondern pure Absicht. Dahinter steckt eine Posse, deren Hauptprotagonisten die Gemeinde Tavetsch, vertreten durch Gemeindepräsident Martin Cavegn, und Anwohner Andreas B.* sind.

Ersterer war mitbestimmend, dass vor kurzem die Bahnhofstrasse in Tavetsch erneuert und verbreitet wurde. Letzterer ist Besitzer der Parzelle 521, die an der Bahnhofstrasse entlang führt.

Bedingungen für Verkauf gestellt

Die Odyssee begann damit, dass die Bahnhofstrasse saniert und gleichzeitig verbreitert werden sollte. Die Gemeinde wollte darum anliegende Grundstücke kaufen, um einerseits die Strasse zu bauen und andererseits mehr Bauland zur Verfügung zu haben.

Eigentlich eine ideale Voraussetzung für Andreas B., der seit drei Jahrzehnten einen Käufer für seine Parzelle sucht. Beim Preis fanden sich die Parteien nach einigen Verhandlungen. «Dann stellte er aber plötzlich Bedingungen, welche die Gemeinde nicht erfüllen konnte und wollte», sagt Gemeindepräsident Martin Cavegn zu Blick.

Dabei ging es um eine Hilfestellung in einem privaten Rechtsstreit, den B. auf einem anderen Grundstück mit einem anderen Hotel führt. B. behauptet, die Gemeinde habe das Baugesetz zu seinen Ungunsten und in Eigenregie abgeändert und möchte die alten Versionen des Gesetzes sehen. Der Vorwurf sei absurd, erwidert die Gemeinde. Weil man nicht weiterkam, schlug die Gemeinde Andreas B. vor, nur die 20 Quadratmeter zu kaufen, um dort das Trottoir zu bauen. Daran hatte B. aber kein Interesse, weil er, wie er meint, auf der dann verbleibenden Fläche kein Haus mehr hinstellen könne. Er verknüpfte darum den Verkauf an weitere Bedingungen. «Dann wurde es uns zu bunt», sagt Cavegn. «Die Gemeinde lässt sich nicht erpressen.»

Andreas B. droht die Enteignung

Was bleibt, ist eine Strasse, die statt zum Prunkstück zum Schandfleck geworden ist. Zu Ende ist die Posse damit aber nicht.

Die Gemeinde will die entstellte Strasse nicht so stehenlassen. Und hat deshalb beim Kanton ein Gesuch um Enteignung des Grundstückes von B. gestellt – für den Teil, den sie fürs Trottoir wollen. «Einen Entscheid erwarte ich jeden Tag», sagt Cavegn. Andreas B. behauptet, erst durch Blick vom Schachzug seines Kontrahenten erfahren zu haben: «Enteignet? Das höre ich zum ersten Mal!» Cavegn entgegnet, dass B. schon lange darüber Bescheid wisse. Er sei vom Kanton schon um eine Stellungnahme gebeten worden.

Eine Geschichte, so schräg wie das Bild dieser Strasse.

* Name geändert

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