Langsam reicht’s. Alle wollen die Pandemie hinter sich lassen. Doch diese gibt keine Ruhe, belastet die Menschen mehr denn je. Jetzt zeigt sich: Im dritten Covid-Jahr fühlt sich ein Drittel nicht ganz gesund oder krank. Was sich in der Zahl der Krankheitstage zeigt – diese ist gestiegen. Besonders betroffen: junge Frauen.
Das offenbart die aktuelle Gesundheitsstudie der CSS. Das Forschungsinstitut Sotomo hat in ihrem Auftrag 2136 Menschen in der Schweiz befragt. Schon zum dritten mal, die erste Erhebung fand im März 2020 statt. Die Ergebnisse machen wenig Freude. Studienleiter Michael Hermann sagt: «Die Studie zeichnet ein Bild einer kränkelnden Nation.»
Viele sind nicht zwäg
Der Gesundheitszustand hat sich seit der ersten Erhebung verschlechtert: 35 Prozent fühlen sich krank oder nicht vollständig gesund – im März 2020 waren dies noch 22 Prozent. Das spiegelt sich im Anteil jener, die länger als zehn Tage krank waren: dieser ist von 18 im Jahr 2021 auf nun 26 Prozent gestiegen.
Studienleiter Hermann macht mehrere Gründe dafür aus: Wer Corona hat, kämpft oft lange nach der Akutphase noch mit Symptomen. Das schlägt auf die Psyche, man fühlt sich zusätzlich unwohl. Zudem: Die Bevölkerung ist sensibilisierter. «Die Leute schauen jetzt mehr auf ihr Befinden, und reagieren schneller, wenn etwas ist.» Das bekommen die Spital-Notaufnahmen zu spüren. Die Zürcher Gesundheitsdirektion schlug im Juli Alarm, weil das Notfallpersonal sich plötzlich um massenhaft Menschen mit Bagatellanliegen kümmern musste.
Covid und seine Langzeitfolgen werden jetzt ernst genommen
Anfangs sahen viele in Covid vor allem eine Gefahr für Risikopatienten. Im Sommer 2020, während der ersten Hochphase, nahmen nur 39 Prozent Covid als ernste Gesundheitsgefahr für die Allgemeinheit wahr. Nun sind es 52 Prozent. Hermann erklärt: «Lange war die Pandemie zwar ein grosses Thema, wie langwierig die Erkrankung auch bei normalen Verlauf sein kann, merken viele erst jetzt.»
Ähnliches gilt für das Thema Long Covid – also die Fälle, bei denen man sich sechs Monate nach der Infektion nicht vollständig gesund fühlt. Die CSS-Gesundheitsstudie zeigt nun: Vor einem Jahr fanden 34 Prozent, dass das Thema aufgebauscht und 30 Prozent, dass es verharmlost werde. Ganz anders nun: 44 Prozent finden, dass es unterschätzt wird und nur 21 Prozent sehen eine Überschätzung. Wohl auch weil im vergangenen Jahr das Fachwissen und die Zahl der Medienberichte über die Erkrankung gestiegen sind: Erste Studien gehen von 12,5 bis 25 Prozent aller Infizierten aus.
Junge Frauen trifft es am härtesten
Psychisch trifft es vor allem die Jungen, und da besonders die Frauen. Bei jenen sei «die psychische Situation besorgniserregend», sagt Hermann. 55 Prozent beschreiben ihr psychisches Wohlbefinden in der jüngsten Befragung als durchzogen oder schlechter. Im vergangenen Jahr waren dies 49 Prozent.
Kürzlich publizierte Befragungen stützen das, wie jene im Blick von dieser Woche, die zeigt: 56 Prozent der unter 25-jährigen Frauen und Männer fühlen sich psychisch stark oder sehr stark belastet. Oder jene im letzten SonntagsBlick: 71 Prozent der jungen Frauen fühlen sich erschöpft, mehr als die Hälfte psychisch gestresst und 42 Prozent traurig.
Studienleiter Hermann erklärt, dass Frauen sensibilisierter dafür seien, wie es ihnen gehe als Männer. «Sie können ihren Zustand eher benennen.» Und: «Frauen haben wahnsinnig hohe Erwartungen an sich, und versuchen eher als Männer, die oft hohen Erwartungen, die an sie gestellt werden, zu erfüllen.»