Geissen-Massaker, Wild gerissen, Reiterin attackiert – doch Zürich will Halterkurs abschaffen
Hunde schweizweit im Blutrausch

In der Schweiz häuften sich in den letzten Wochen die Meldungen von Hunde-Attacken. Trotzdem soll am Wochenende in Zürich die Kurs-Pflicht für Halter fallen.
Publiziert: 08.02.2019 um 11:13 Uhr
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Aktualisiert: 14.06.2020 um 20:35 Uhr
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«Es braucht solche Kurse»: Hundetrainer Ernst Krüsi (66) mit Hündin Aika (4).
Foto: ZVG
Georg Nopper

Taucht irgendwo ein zerfressenes Kadaver auf, gerät meistens der Wolf in Verdacht. Doch viele Angriffe auf Rehe, Vieh oder Pferde sind auf wildernde Hunde zurückzuführen. In den letzten Wochen sind gleich mehrere solche Fälle bekanntgeworden.

Im Januar haben in Ayent VS zwei Hunde in einem Geissen-Gatter ein regelrechtes Massaker angerichtet: Sie töteten acht Tiere in einer Nacht (BLICK berichtete). Die Kantonspolizei Aargau ermahnt Hundehalter, ihre Sorgfaltspflichten wahrzunehmen.

Nachlässige Besitzer werden verzeigt

Anfang Februar war im Wald zwischen Zetzwil und Birrwil AG ein übel zugerichtetes Reh-Kadaver aufgefunden worden. Hund und Halter, die an dem Elend schuld sind, sind unbekannt. In Regensdorf ZH wurde Ende Januar eine Reiterin von zwei Hunden attackiert, wie die Kantonspolizei Zürich einen Bericht der «Unterland Zeitung» vom Mittwoch bestätigt. Das Pferd wurde verletzt. Die Hundehalterin hat eine Anzeige am Hals.

In Muotathal SZ brachen letzte Woche zwei Huskys aus dem Zwinger aus. Sie töteten eine Katze, griffen einen Jack Russell Terrier an und drangen in einen offenen Schafstall ein. Dort fielen sie über die wehrlosen Tiere her, töteten fünf Schafe und verletzten vier weitere derart schwer, dass sie von ihrem Leiden erlöst werden mussten.

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Ein auf Facebook veröffentlichtes und inzwischen entferntes Video aus Untervaz GR von Mitte Januar zeigt, wie ein Hund eine Hirsch-Herde über ein Feld hetzt. Hannes Jenny vom Amt für Jagd und Fischerei Graubünden ärgern solche Szenen: «Das ist ein klassischer Fall für das, was passiert, wenn sich ein Hund der Kontrolle eines Hundehalters entzieht und dabei auf Wild stösst.» Der Halter habe leider nicht ausfindig gemacht werden können, sagt Jenny. Weil er den Hund wildern liess, droht dem Besitzer eine Anzeige.

«Wenn Buben einen Rapper mit Kampfhund sehen, ...»

Trotz all dieser Attacken stimmt der Kanton Zürich am Sonntag darüber ab, ob die Kurspflicht für Halter von grossen Hunden fällt. Ernst Krüsi (66), Hundetrainer und Tierpsychologe aus Oberglatt ZH, ist überzeugt: «Es braucht solche Hundekurse.» Vorfälle wie jene der vergangenen Wochen würden dies deutlich zeigen, sagt er zu BLICK.

Krüsi macht vor allem eines deutlich: «Bei den Hunde-Kursen geht es nicht nur um das Tier, sondern auch um den Halter. Auch die Halter müssen erzogen werden.» Denn nicht alle, die sich einen Hund anschafften, seien sich der Aufgabe bewusst, die sie erwarte. «Manche sind leider nicht gewillt, das nötige Engagement an den Tag zu legen.»

Krüsi unterscheidet zwischen den Leuten, die sich einen klassischen Familienhund anschaffen, den aktiven Hündelern und den Haltern, die denken, es sei chic, einen Hund zu haben. «Wenn Buben irgendeinen Rapper mit Kampfhund sehen, dann wollen sie auch einen. Aber unter Umständen sind sie schlecht auf die Herausforderung vorbereitet.»

«Auch mit kleinen Hunden gibts Probleme»

Der Zürcher hofft deshalb, dass das neue Hundegesetz am Wochenende abgelehnt wird. «Ich bin jetzt 40 Jahre in diesem Bereich tätig», sagt Krüsi. «Meiner Meinung nach war der wichtigste Kurs die Theorieprüfung, die man früher machen musste. Leider wurde diese auf nationaler Ebene abgeschafft.» Der zweite Fehler sei gewesen, dass man in Zürich die kleinen Hunde von der Kurs-Pflicht befreit habe. «Auch mit kleinen Hunden gibts Probleme, weil sie nicht erzogen, oder ihre Halter überfordert sind.»

Viele aus dem Ausland importierte Hunde hätten ausserdem eine unbekannte Vorgeschichte, erklärt Krüsi. «Das macht eine Hundeschule umso nötiger.»

Krüsi würde es begrüssen, wenn die ganze Hundegesetzgebung auf nationaler Ebene gelöst würde. «Es ist ein Unsinn, wenn man sich vor einem Spaziergang in einem anderen Kanton vorgängig über die örtlichen Regelungen informieren muss. Die Hundehalter sind verunsichert.»

Verschärfung wegen Drama um Süleyman (†6)

Die Kurs-Pflicht für Hundehalter wurde eingeführt, nachdem 2005 drei Pitbull-Terrier in Oberglatt ZH den kleinen Süleyman (†6) zu Tode gebissen hatten.

Anfang 2017 wurden die Hundekurse auf nationaler Ebene wieder abgeschafft. Gegen eine entsprechende Anpassung des kantonalen Hundegesetzes in Zürich wurde das Referendum ergriffen. Deshalb entscheiden am Wochenende die Stimmbürger darüber.

Die Befürworter des neuen Hundegesetzes argumentieren, die Zahl der Beissvorfälle habe seit der Einführung des Kursobligatoriums nicht abgenommen. Zudem sei der bürokratische Aufwand zur Durchsetzung der Vorschrift schlicht zu hoch.

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Der Fall Süleyman (†6)

Es geschieht am 1. Dezember 2005 an der Dickloostrasse in Oberglatt ZH: Süleyman († 6) ist mit einer Begleiterin und einem weiteren Bub nur noch 100 Meter vom Kindergarten entfernt, als ihn drei ausgewachsene Pitbull Terrier attackieren. Sie verbeissen sich in den Kopf, zerfleischen das Kind bis zur Unkenntlichkeit. Augenzeugen und Ermittler sprechen von unfassbar grausamen Bildern. Süleyman hat keine Chance, bleibt tot im Schnee liegen. Der Halter, ein damals 41-jähriger Italiener, hielt die Hunde 200 Meter vom Unglücksort entfernt in einem selbstgebastelten Verschlag. An jenem verhängnisvollen Morgen entwischten sie unbemerkt durch das Fenster. Der Mann erhielt eine Haftstrafe von zweieinhalb Jahren sowie ein Einreiseverbot von fünf Jahren.

Es geschieht am 1. Dezember 2005 an der Dickloostrasse in Oberglatt ZH: Süleyman († 6) ist mit einer Begleiterin und einem weiteren Bub nur noch 100 Meter vom Kindergarten entfernt, als ihn drei ausgewachsene Pitbull Terrier attackieren. Sie verbeissen sich in den Kopf, zerfleischen das Kind bis zur Unkenntlichkeit. Augenzeugen und Ermittler sprechen von unfassbar grausamen Bildern. Süleyman hat keine Chance, bleibt tot im Schnee liegen. Der Halter, ein damals 41-jähriger Italiener, hielt die Hunde 200 Meter vom Unglücksort entfernt in einem selbstgebastelten Verschlag. An jenem verhängnisvollen Morgen entwischten sie unbemerkt durch das Fenster. Der Mann erhielt eine Haftstrafe von zweieinhalb Jahren sowie ein Einreiseverbot von fünf Jahren.

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