Freihandelsabkommen in der Sackgasse
Funkstille zwischen Bern und Peking

Der Bund hadert mit seiner Nähe zu China. Und möchte das Freihandelsabkommen trotzdem aufdatieren. Doch davon will Peking nichts wissen.
Publiziert: 29.05.2022 um 11:19 Uhr
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Aktualisiert: 29.05.2022 um 21:56 Uhr
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Bundesrat Johann Schneider-Ammann und der chinesische Handelsminister Hucheng Gao unterzeichneten 2013 das Freihandelsabkommen zwischen China und der Schweiz.
Foto: Keystone
Simon Marti

Wenn die Welt sich neu sortiert, muss sich wohl oder übel auch die Schweiz bewegen. Das gilt für den Umgang mit Russland ebenso wie – über kurz oder lang – für das Verhältnis zu China.

Der brutale Charakter des Regimes in Peking wurde mit den jüngsten Enthüllungen über die Unterdrückung der uigurischen Minderheit einmal mehr deutlich (siehe Artikel unten).

Doch lange Zeit galt für Bundesrat und Parlament die Maxime einer möglichst engen wirtschaftlichen Anlehnung. Als Höhepunkt dieser Strategie gelang 2013 die Unterzeichnung eines Freihandelsabkommens – zum grossen Ärger der europäischen Konkurrenz.

Linke Positionen plötzlich salonfähig

Neun Jahre später ist diese Nähe nicht mehr allen geheuer. Die Linke sieht das Abkommen seit jeher als Fehler. Und Mitte-Präsident Gerhard Pfister erklärte jüngst, er betrachte den Vertrag inzwischen viel kritischer. Der Bundesrat schlägt schon länger, wenn auch verhalten, einen anderen Ton an. Ignazio Cassis machte mit seiner «China-Strategie» deutlich, dass die Tage wertbefreiter Handelspolitik gezählt sind.

Das ist die offizielle Ansage. Doch die Schweiz sendet unterschiedliche, zum Teil widersprüchliche Signale aus. Denn der Bund versucht seit längerem, das Freihandelsabkommen mit Peking aufzudatieren. Mit geringem Erfolg.

Seit Monaten herrscht Funkstille in dieser Frage. Daran habe sich nichts geändert, schreibt das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) auf Anfrage: «Bisher ist es noch nicht gelungen, sich auf eine gemeinsame Liste von Themen zu einigen, die vertieft werden sollen.»

Insbesondere sei man im Bereich des Marktzugangs für Industrieprodukte an einer Aktualisierung des Vertragswerks interessiert. «Zudem möchte die Schweiz das bestehende Abkommen auch in anderen Bereichen weiterentwickeln», auch im Nachhaltigkeitsbereich, so das Seco. «Diese Hauptforderungen seitens der Schweiz stellen für China nach wie vor eine Herausforderung dar.»

Dialog möglich

Franz Grüter (58, SVP), Präsident der Aussenpolitischen Kommission (APK) des Nationalrats, formuliert es deutlicher: «Seit der China-Strategie – etwas, das es in dieser Form für kein anderes Land gibt – stockt der Prozess.»

Grüter ist durchaus der Meinung, dass die Schweiz die Menschenrechte ansprechen soll. «Ich kenne China sehr gut und weiss, dass man diesen Dialog führen kann, aber eben nicht in aller Öffentlichkeit.» Der SVP-Aussenpolitiker glaubt nicht, dass sich die Situation kurzfristig grundsätzlich ändert. Aber es habe schon früher Eklats gegeben, die überwunden worden seien. Grüter: «Die Lage kann sich mit der Zeit also ändern. Und vielleicht wenn das Personal an der Spitze wechselt.»

Christine Badertscher (40), Nationalrätin der Grünen, beobachtet ebenfalls, dass sich die Sicht auf das Freihandelsabkommen mit China wandelt. «Und doch würde es eine Mehrheit in der Schweiz wohl kaum kündigen wollen, solange die Wirtschaft davon profitiert.»

Eine schwierige Situation. «Eine Aktualisierung des Vertrags würde auch mit Blick auf die Nachhaltigkeit Sinn machen», sagt Badertscher. Andererseits unterstützten die Grünen keine Anpassung, die den Menschenrechtsdialog ausklammert. Denn das Abkommen mit China, meint die Bernerin, stelle ein Reputationsrisiko dar. Wie schnell es gehen könne, habe man an den Geldern der russischen Oligarchen gesehen: «Die wurden mit dem Krieg in der Ukraine über Nacht zur Hypothek.»

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