«Die Inkompetenz meiner Gemeinde schockiert mich»
Mutter und ihre sieben Kinder verlieren bei Brand Dach über Kopf

Der Brand einer Scheune und eines angrenzenden Wohnhauses in St. Ursen FR richtete grosse Schäden an. Eine Familie hat nicht nur ihre Habseligkeiten, sondern auch das Vertrauen in ihre Gemeinde verloren. Die Mutter erhebt nun Vorwürfe.
Publiziert: 17.02.2025 um 19:45 Uhr
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Aktualisiert: 17.02.2025 um 22:43 Uhr
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In St. Ursen FR musste Lisa M. mit ansehen, wie ihr Leben in einer Nacht in Rauch aufging.
Foto: DR

Auf einen Blick

  • Familie verliert Haus durch Brand. Mutter kritisiert Gemeinde für mangelnde Hilfe
  • Rotes Kreuz wollte Soforthilfe leisten, Gemeinde verweigerte Kontaktdaten der Familie
  • Achtköpfige Familie wurde vorübergehend in einem Zimmer mit vier Etagenbetten untergebracht
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Léo Michoud

Lisa M.* (40) und ihre sieben Kinder haben bei einem verheerenden Brand alles verloren. Das Haus, das die Mutter seit 20 Jahren in St. Ursen im Kanton Freiburg gemietet hatte, geht in der Nacht auf Samstag, den 18. Januar, zusammen mit einer angrenzenden Scheune in Flammen auf.

Immerhin: Ihren Töchtern und Söhnen im Alter von 7 bis 23 Jahren geht es gut. Doch die Beziehung zur Verwaltung der 1200-Einwohner-Gemeinde ist auf dem Tiefpunkt angelangt. «Ich bin schockiert über die fachliche und menschliche Inkompetenz meiner Gemeinde», sagt Lisa M. zu Blick. Sie beklagt mangelnde Unterstützung und Empathie.

Am Abend des Brandes ist die Mutter mit nur zwei ihrer Kinder zu Hause. «Ich war unten mit meiner 15-jährigen Tochter. Meine Grosse, 18, kam zu mir und sagte, dass die Katzen nervös seien und dass es nach Rauch rieche.» Lisa M. geht zur Scheune, wo die Flammen lodern. Sie alarmiert sofort die Feuerwehr und bringt ihre anwesenden Kinder in Sicherheit.

In Pyjamas gekleidet müssen sie zusehen, wie ihr Hab und Gut dem Feuer zum Opfer fällt: die Kuscheltiere der Kleinen, die Schulsachen der Grossen, Familienfotos, Bankkarten und Papiere, Gläser mit sorgfältig gelagerten Lebensmitteln.

Unangemessene Unterbringung?

Eine Vertreterin des Gemeinderats von St. Ursen ist vor Ort. Sie ruft ein Hotel an, das nicht antwortet. Lisa M. zufolge schlägt sie ihr dann vor, sich selbst um eine Übernachtungsmöglichkeit zu kümmern.

Die Bürgermeisterin von St. Ursen, Marie-Theres Piller Mahler, widerspricht: «Sie hat uns gesagt, dass sie bei einer Freundin schlafen würde, und am nächsten Tag haben wir uns darum gekümmert, einen geeigneten Ort für sie zu finden.» 

Lisa und ihre sieben Kinder wurden für einige Tage im Nachbardorf untergebracht. An einem Ort, an dem sie nicht kochen konnte.
Foto: DR

Die Familie M. wird daraufhin in einem kleinen Zimmer mit vier Etagenbetten im Nachbardorf untergebracht. Was der Mutter besonders sauer aufstösst: Ihr sei das Kochen untersagt worden. Lisa M: «Also gebe ich meinen Kindern dreimal am Tag Sandwiches?»

Durch ihren Job als Ausbilderin ist ihr Budget für sieben Kinder sehr knapp bemessen. Nach drei Tagen fühlt sie sich nicht mehr willkommen und beschliesst, zu gehen. Seitdem schläft die Familie mal bei Freunden, mal bei Verwandten – bis heute.

Spenden treffen erst später ein

Ein weiterer Streitpunkt entstand um eine Spendenaktion. Eine Nachbarin hatte eine Online-Spendenkampagne initiiert, die jedoch auf Anweisung der Gemeinde geschlossen wurde.

Die Behörden wollten die Spendengelder selbst verwalten, was laut M. zu Verzögerungen bei der Auszahlung führte. Lisa M. beklagt: «Wir haben alles verloren, und die Gemeinde wundert sich, dass wir das Geld aus der Spendenaktion sofort brauchen.»

Am Tag nach dem Brand versucht das Freiburger Rote Kreuz, Soforthilfe zu leisten, doch die Gemeinde weigert sich, die Kontaktdaten der Familie weiterzugeben. Auf Anfrage bestätigt der lokale Zweig der NGO: «Wir wollten Gutscheine versenden, damit die Kinder Kleidung kaufen können, aber die Gemeinde gab uns die Kontaktdaten der Familie nicht.»

Dies sei eine Frage des «Datenschutzes», da die «Zustimmung der Person» fehle, rechtfertigt die Bürgermeisterin. Lisa M. hält dagegen: «Die Gemeinde hätte mir sagen müssen, dass das Rote Kreuz versucht, mich zu erreichen.» 

«Wir haben alles richtig gemacht»

Die Kommunikation zwischen der Familie und der Gemeinde war offenbar durch die Verwendung einer veralteten E-Mail-Adresse beeinträchtigt. Dies führte zu weiteren Missverständnissen und Verzögerungen bei der Hilfestellung.

Die Gemeindevertreterin ortet denn auch ein Kommunikationsproblem und versichert, dass die Mitarbeiter ihrer Gemeinde «alles richtig gemacht» hätten: «Wir haben wirklich alles getan, was wir konnten, um der Familie in ihrer sehr schwierigen Situation zu helfen. Zwei Mitarbeiterinnen haben sich dieser wichtigen Angelegenheit gewidmet.»

Weitermachen... aber woanders

Lisa M. bleibt bei ihrem Standpunkt: «Wenn niemand Druck macht, bewegen sie sich nicht. Sie tun nichts von selbst.» Sie plant nun, die Region zu verlassen und im Kanton Waadt neu anzufangen.

Die Gemeindepräsidentin äussert abschliessend versöhnliche Worte: «Ich möchte der Mutter alles Gute wünschen. Ich hoffe, sie findet einen Ort zum Leben, der das Beste für all ihre Kinder bringt.»

Während die Familie versucht, ihr Leben neu zu ordnen, dauern die Ermittlungen zur Brandursache an. Laut Polizeisprecher Gino Frangone waren Spezialisten mehrfach vor Ort, um den Vorfall zu untersuchen.

*Name der Redaktion bekannt 

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