Auf einen Blick
- Das Gurtenfestival hat 2023 eine Million Umsatz wegen Gratis-Ausschank eingebüsst
- Der Getränkeverkauf ist für das Open Air existenziell
- Die Festivalleitung hat deshalb Massnahmen ergriffen
Ein Freibier während der Arbeit trinken? Warum nicht, dachten sich viele Barkeeper am Gurtenfestival 2023 auf dem Berner Hausberg. Doch aus einem Bier wurden schnell zwei, gefolgt von einer Runde Gratis-Shots und einem unbezahlten Cocktail obendrauf. Am Ende dieses Trinkgelages gab es zwei Geschädigte: die Leber und die Kasse des Gurtenfestivals.
Wie interne Dokumente zeigen, entging dem Festival 2023 rund eine Million Franken Umsatz. Verantwortlich dafür war die trinkfreudige Barcrew, die nicht nur selbst ordentlich konsumierte, sondern auch grosszügig Alkohol an die Besucher spendierte. Allein der Verlust durch gratis ausgeschenkte Shots belief sich auf 310’000 Franken. «Wir verlieren an allen Fronten und sind unrentabel», heisst es in den Unterlagen. Der Zenit sei weit überschritten.
Freisuff gefährdet das Festival
Bei 650 Barkeepern, die Getränke verteilen wie die Heilsarmee warme Mahlzeiten, summiert sich der Verlust schnell auf einen beachtlichen Betrag. Das Problem verschärfte sich 2023, als das Festival wegen seines 40. Jubiläums ausnahmsweise fünf statt vier Tage dauerte. Zudem lag auf den ausgehändigten Bechern ein Depot. Viele Besucher haben diese retourniert und sich somit nicht nur gratis betrunken, sondern dafür auch noch Geld erhalten.
Nun könnte man meinen, ein solcher Verlust sei verkraftbar. Immerhin gehört das Gurtenfestival zu den grössten Open Airs der Schweiz und ist mit jährlich über 70’000 Eintritten meist ausverkauft. Allein mit den Tickets lassen sich die Rechnungen jedoch nicht bezahlen. Und während andere Festivals wie das Open Air Frauenfeld im Besitz internationaler und milliardenschwerer Konzerne sind, bleibt das Gurten eines der letzten unabhängigen Festivals der Schweiz.
Ohne den Getränkeverkauf sei erfolgreiches Wirtschaften nicht möglich, heisst es in der Festivalbilanz. Massloser Gratiskonsum gehöre eingedämmt. «Wenn wir dies nicht in den Griff bekommen, ist das mittel- bis langfristige Bestehen der Gurtenfestival AG gefährdet.» Daher wurden für 2024 verschiedene Massnahmen ergriffen.
Verstärkte Kontrolle der Barcrew
Konkret stockten die Organisatoren sogenannte Kontrollteams auf. Deren Aufgabe bestand darin, die «Trunkenheit der Barcrew» zu überwachen und ein Auge auf den Gratis-Ausschank zu legen. Offenbar versuchten sie auch, an Gratisgetränke zu gelangen, um zu schauen, wie die Barcrew reagiert. Bei Verstössen drohten «sofortige und harte Konsequenzen» – von Bändelentzug über Platzverweis bis hin zu einer Anzeige bei Diebstahl.
2024 wurden die Mitarbeitenden an einem Infoanlass über alle Massnahmen unterrichtet. Dort erfuhren die Barkeeper, dass sie kein Trinkgeld erhielten, falls der Umsatzverlust erneut zu hoch ausfalle. Die Aushelfer am Gurtenfestival waren somit vorgewarnt. Doch hat die verstärkte Überwachung letztlich etwas bewirkt? Oder fürchten die Organisatoren nach wie vor, dass ihre Mitarbeitenden das Gurten einst in den Ruin trinken werden?
Auf Anfrage von Blick schreibt die Medienstelle: «Natürlich kommt es vor, dass Mitarbeitende übermässig Alkohol konsumieren und Getränke gratis abgeben.» In sehr seltenen Fällen sei es auch zu «Verweisen» gekommen. Doch um die Zukunft des Festivals stehe es «sehr gut». Es scheint, als hätte sich die ausgeweitete Kontrolle der Barkeeper gelohnt.
Ganz leer ging die Barcrew letztlich aber nicht aus. Zu einer Tagespauschale von 140 Franken gab es zwei Freikarten für das Festival, zwei bis vier Softgetränke pro Schicht und zwei offerierte Getränke am Feierabend. Am Schluss gabs sogar Trinkgeld.
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