So schlimm wüten die Waldbrände im Tessin
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Feuersbrunst im Tessin:So schlimm wüten die Waldbrände im Tessin

Flammeninferno bedroht Indemini TI – alle Bewohner wurden evakuiert.
«Der Monte Gambarogno glühte wie ein Vulkan»

Seit Samstagabend brennt es am Monte Gambarogno lichterloh. Das Feuer ist ausser Kontrolle und kommt dem Tessiner Bergdorf Indemini gefährlich nah. Die Polizei geht von fahrlässiger oder vorsätzlicher Brandstiftung aus.
Publiziert: 31.01.2022 um 19:18 Uhr
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Aktualisiert: 31.01.2022 um 20:33 Uhr
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Brenzlige Lage beim Bergdorf Indemini. Hinter den Häusern waren in der Nacht schon die Flammen zu sehen. Die Polizei beschloss am späten Sonntagabend die Evakuierung aller 32 Bewohner des Ortes.
Foto: keystone-sda.ch
Myrte Müller und Pascal Scheiber

Der Schrecken der Nacht steckt den Evakuierten noch in den Gliedern. Ein Rucksack, eine Tragetasche, ein Köfferchen. Das ist alles, was sie bei der Flucht vor dem Grossbrand mitnehmen konnten. Wer kurzfristig weder bei Verwandten noch Freunden unterkommt, muss nun in der Zivilschutzanlage von Quartino TI ausharren. Der Blick ist auf den Monte Gambarogno gerichtet.

Im Minutentakt fliegen Löschhelis über den Neggia-Pass. Zwei Super Pumas des Militärs schöpfen das Wasser aus dem Lago Maggiore, vier zivile Helikopter nutzen die örtlichen Auffangbecken. Das monotone Geräusch der Rotoren ängstigt und beruhigt zugleich. Die ganze Hoffnung der Evakuierten: Möge der Einsatz ihr Dorf Indemini TI retten!

«Der ätzende Rauch hat extrem gestunken»

Das Flammeninferno beginnt im Morgengrauen des 30. Januar. Das Feuer bricht kurz unterhalb des Gipfels aus. Gras und Bäume brennen nach Wochen der Trockenheit wie Zunder. Die Flammen fressen sich die Hänge hinunter in Richtung Siedlungsgebiet, erfassen innerhalb der ersten 30 Stunden rund sechs Hektar Tannenwald. Und sie weiten sich aus. Bis zu einem Meter pro Minute.

Peter Knecht (72) erlebt das Drama hautnah mit. Seit neun Jahren lebt der Deutschschweizer Pensionär mit seiner Frau in Indemini. «Seit Sonntagmorgen flogen die Helikopter», sagt Peter Knecht, «es war ein Inferno. Der Monte Gambarogno glich in der Nacht einem glühenden Vulkan.» Problematisch sei nicht nur das Feuer gewesen, sondern auch der ätzende Rauch. «Er hat extrem gestunken, obwohl wir die Fenster geschlossen hatten.»

Polizei beginnt am Sonntagabend mit der Evakuierung

Am Sonntagabend wird die Situation richtig brenzlig. Polizei und Feuerwehr holen 13 Menschen aus den Weilern Ri, Pezze und Boè. Dann ist Indemini dran. «Gegen 22 Uhr standen die Beamten auch vor unserer Tür», erzählt Peter Knecht. Das Rentnerpaar sollte seine Sachen packen, hiess es und spätestens um 23 Uhr den Ort verlassen. «Unser Sohn hat ein Haus in Piazzogna. Meine Frau und ich konnten dort übernachten», sagt der Wahl-Tessiner, «auf der Fahrt dorthin haben wir nur gebetet: Hoffentlich können die Feuerwehrleute das Dorf schützen.»

Auch Ursula Sigrist (75) ist unter den 32 Evakuierten. «Ich habe seit 30 Jahren ein Ferienhaus in Indemini», sagt die Luzernerin. Gott sei Dank sei es im Ortskern. «Bislang mache ich mir nicht so grosse Sorgen», sagt Sigrist. Nur der Schaden in der Umgebung stimme sie traurig.

Berghütten bislang vom Feuer verschont

Pietro «Pepe» Regazzi (53) ist nicht in Indemini, als das Feuer ausbricht. Der Trainer der Snowboard-Nationalmannschaft ist eigentlich dabei, sich auf seine Reise an die Winter-Olympiade in Peking vorzubereiten, als er von der Katastrophe hört. «Wir haben ein Rustico in Indemini, das am Waldrand steht», erzählt Regazzi, «doch ich habe mir auch Sorgen um die Berghütten gemacht.»

«Ein Freund hatte mit dem Teleskop von der gegenüberliegenden Seeseite ein Foto gemacht. Man sah, wie sich die Flammen zwei Meter hoch hinter den Hütten auftürmten. Ich war erschrocken», sagt der Snowboard-Trainer. Er gehöre zum Verein Amis dala Capanna Gambarögn, der half, eine der Hütten für 1,2 Millionen Franken für den Tourismus herzurichten.

Regazzi eilte am Sonntag nach Indemini. «Doch die Polizei hielt mich zurück. Die Flammen hatten schon die Strasse erreicht», so Regazzi. Das Feuer sei auch eine finanzielle Katastrophe für die Gemeinde Gambarogno. «Im Frühjahr 2021 gab es grosse Schäden durch Überschwemmungen. Jetzt der Brand. Wir werden jede Spende brauchen.» Glücklicherweise blieben die Hütten unversehrt.

Feuer noch nicht unter Kontrolle

Mit Sorge verfolgt auch Einsatzleiter Samuele Barenco (45) die Löscharbeiten. «Wir haben drei grosse Probleme. Wegen der Trockenheit ist zu wenig Wasser in der Nähe. Der Rauch nimmt den Helikoptern die Sicht. Zudem wird der Wind immer stärker», sagt der Feuerwehrkommandeur von Bellinzona TI, «wir haben das Feuer noch nicht unter Kontrolle.» Die Polizei ermittelt nach der Brandursache. «Das Feuer ist sicherlich gelegt worden», sagt Claudio Ottelli (56) von der Gemeindepolizei, «entweder fahrlässig oder vorsätzlich.»


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