«Meine Kritik bereue ich sicherlich nicht!»
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Feministin Zana Avdiu (30):«Meine Kritik bereue ich sicherlich nicht!»

Feministin Zana Avdiu (30) musste nach ihrer Xhaka-Kritik ihr Leben umstellen
«Ich meide Menschenmassen, um mich nicht in Gefahr zu begeben»

Zana Avdiu (30) wurde im Dezember von Xhakas Vater kritisiert. Mit Blick spricht die Feministin über Anfeindungen und die kosovarische Gesellschaft.
Publiziert: 20.04.2023 um 00:43 Uhr
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Aktualisiert: 20.04.2023 um 08:29 Uhr
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Blick hat die kosovarische Feministin Zana Avdiu (30) in Zürich getroffen.
Foto: Philippe Rossier
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Qendresa LlugiqiReporterin News

Seit dem Vorfall sind Monate vergangen. Dennoch verfolgt er die kosovarische Feministin Zana Avdiu (30) immer noch. Beim Besuch von Blick im April in Zürich postet sie Bilder in den sozialen Medien und wird von Facebook-Usern vor Granit und Ragip Xhaka gewarnt.

Avdiu hatte im Dezember auf Facebook und in einer kosovarischen Sportsendung den Griff in den Schritt vom Schweizer Nati-Captain Granit Xhaka (30) beim letzten WM-Gruppenspiel in Katar gegen Serbien kritisiert. Weiter warf sie ihm vor, ein «Strassenjunge» zu sein.

Über 11'000 Reaktionen erhalten

Damals meldete sich unerwartet Vater Ragip Xhaka (59) per Telefonanruf in der Show. Er war ausser sich. Warnte Avdiu, sie solle «aufpassen», was sie über die Familie Xhaka schreibe. «Sonst passiert was?», fragte Avdiu. «Ich erzähle dir nachher, was passiert», erwiderte Xhakas Vater. «Du wirst dich auf jeden Fall verantworten müssen. Aber wenn es so weit ist, wird es schon zu spät sein, das garantiere ich dir mit meinem Leben. Denn du kennst die Familie Xhaka nicht.»

«Sonst wirst du dich verantworten müssen»
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Ragip Xhaka im Kosovo-TV:«Sonst wirst du dich verantworten müssen»

Die Situation sei nach dem Anruf vom Xhaka-Vater eskaliert: «Ich habe über 11'000 Reaktionen erhalten – darunter auch Morddrohungen. Die Sprache in den Nachrichten ist bedrohlich, hasserfüllt und voller sexueller Gewalt» sagt Avdiu zu Blick bei einem Treffen in Zürich. Aus Sicherheitsgründen habe sie ihren Alltag umstellen und Polizeischutz annehmen müssen.

Der Mann steht über allem

Im Gespräch mit Blick macht Avdiu klar, dass sie ihre Kritik nicht bereut. Sie betont: «Ich habe stets die Geste und nicht Granit Xhaka selbst oder seine Familie kritisiert.» Auch die Beschreibung rrugaç (=Strassenjunge) in ihrem Facebook-Kommentare ziele nicht in diese Richtung. «Das Wort rrugaç steht nach dem albanischen Wörterbuch für eine Person, die sich unangemessen, falsch und nicht würdevoll verhält.»

«Was ich in dieser Zeit erlebt habe, zeigt eindrücklich, was passiert, wenn in der albanischen Gesellschaft eine Frau einen Mann infrage stellt», sagt Avdiu. «In dieser patriarchalen Gesellschaft steht der Mann über allem. Er ist schon fast heilig. Frauen hingegen werden als minderwertig angesehen. Einen Mann öffentlich zu kritisieren – vor allem als Frau – ist tabu. Und wenn der Mann dann quasi noch als Nationalheiligtum gilt, ist Kritik an ihm unvorstellbar.»

Ein Versuch zur Aussprache seitens der Xhaka-Familie sei bisher nicht erfolgt. «Auch eine Entschuldigung habe ich nie bekommen.»

«Ich meide Menschenmassen»

Inzwischen habe sich die Situation etwas gelegt, sie sei aber exponierter als zuvor. Ein ungutes Gefühl bleibt: «Ich meide Menschenmassen, um mich nicht unnötig in Gefahr zu begeben.» So fahre sie nicht mehr mit dem Bus, sondern mit dem eigenen Auto.

Dass sie eher erkannt werde, habe auch etwas Positives: «Überall, wo ich hingehe, sprechen die Leute das Thema an und es wird darüber debattiert, sagt Avdiu. «Aus feministischer Sicht ist dies ein Erfolg.»

Von Männern dominiert

Die junge Frau setze sich seit rund zwölf Jahren als Aktivistin in ihrer Heimat ein. Im Fokus ihrer Arbeit: Frauen, benachteiligte Gruppen – wie etwa die LGBTQ-Community und ethnische Minderheiten. Noch gebe es aber viel zu tun: «Viele Bereiche – wie etwa die Politik und der Sport – werden weiterhin von Männern dominiert», sagt Avdiu. Auch in anderen Lebensbereichen benachteilige die Gesellschaft die Frauen, beispielsweise bei Erbschaften. «In albanischen Familien erben nur vier Prozent der Mädchen und nur siebzehn Prozent der Frauen haben eigenen Besitz.» Dies wiederum mache die Frauen stark von ihren männlichen Familienmitgliedern abhängig.

Den albanischen Frauen in der Diaspora – wie etwa in der Schweiz – gehe es in vielerlei Hinsicht besser: «Sie geniessen hier eine bessere Bildung und haben dadurch mehr Möglichkeiten und eine finanziell stabilere Situation. Auch haben sie mehr Sicherheit und effizientere Justizsysteme, die sie schützen», sagt Avdiu. «Aber wenn wir über Freiheiten, individuelle Rechte oder die Organisation des Lebens sprechen – also ab dort, wo die staatliche Seite aufhört und die der Familie beginnt – sind die Frauen zum Beispiel aus Pristina paradoxerweise freier als manche Frauen hier.» Als Grund sieht sie die ungenügende Integration mancher Familien.

Gemäss dem Xhaka-Berater José Noguera nimmt die Familie Xhaka keine Stellung zum Thema.

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