Fertig Ferien, das neue Schuljahr startet. Wichtig ist aber nicht nur, was im Klassenzimmer oder auf dem Pausenplatz passiert, auch auf dem Schulweg gibt es viel zu lernen: Mit den Gspänli palavern und streiten, trödeln, mit Kameraden am Handy herumblödeln, zu spät kommen.
Zum Schulstart erklären Experten gegenüber Blick, was der Schulweg bedeutet. Und sie sagen, was für Abenteuer und Gefahren auf die Kinder warten. «Der Schulweg ist für die Kinder ein Weg einer Sozialisation», sagt Kinder- und Jugendpsychologe Philipp Ramming (66). «Er ist ein sehr wichtiger Mini-Lebensweg. Der Wechsel vom Privaten zum Öffentlichen, von der Familie zur Schule.»
Zu diesem Mini-Lebensweg gehören auch die Schulgspänli: «Auf dem Schulweg knüpfen Schulkinder Freundschaften, die aber auch wieder auseinandergehen», sagt Ramming. «Mädchen finden sich auf dem Schulweg schneller zusammen als Buben. Sie haben eher mal eine beste Freundin. Bei den Jungs sind es hingegen lockere Gruppen.»
«Kinder kommen nicht absichtlich zu spät»
Auf dem Schulweg geht es aber nicht nur um beste Freundinnen und lockere Gruppen unter Jungs. Es kann auch ernst werden. Konkret: «Kinder lernen, mit den gefährlichen Seiten der Welt umzugehen», betont Ramming. «Damit meine ich nicht nur sozialen Stress mit anderen Kindern, sondern vor allem den Verkehr.»
Und sie machen wegen des Schulwegs auch die Erfahrung, zu spät zur Schule zu kommen. «Sie tun das nicht absichtlich», sagt Ramming. «Ihr Fokus liegt auf dem Weg schlicht auf anderen Dingen. Hier prallen die gesellschaftliche Anforderung und das persönliche Interesse des Schulkindes, also des Träumers oder der Träumerin, aufeinander.»
Ebenfalls interessant für Schulkinder: Smartphones. «Auf dem Schulweg sind die Schüler oft am Handy», sagt der langjährige Gymi-Lehrer und Schulleiter Balz Müller (65). «Immerhin tun sie das zusammen, lachen über Tiktok-Videos oder schauen sich gemeinsam Lernvideos über anstehende Prüfungen an. Es ist zwar Handyzeit, aber immerhin geht das Soziale nicht vollständig verloren.»
Kein Schulweg, keine Selbstständigkeit
Kritisch sieht es Müller, wenn der Schulweg ganz wegfällt: Manche Eltern würden ihre Kinder mit dem SUV bis zum Schulhof karren. Das Phänomen stamme aus England und den USA, sagt der pädagogische Leiter von Learning Culture in Zürich, einer Privatschule, in der unter anderem Sekundarschüler unterrichtet werden.
Diese Eltern hätten Angst, dass ihrem Nachwuchs auf dem Schulweg etwas zustossen könnte. «Sie wollen, dass die Kinder sofort einsteigen, sofort aussteigen und ja nicht herumtrödeln. Ich finde dieses Verhalten der Eltern sehr problematisch.» Denn: «Den Kindern fehlen so Zeit und Weg, um selbständig werden zu können. An öffentlichen Schulen kutschieren die Eltern die Kinder selten mit dem Auto hin, da ist es eher kein Problem.»
Am Zürcher Bahnhof Stadelhofen, wenige Gehminuten von Learning Culture entfernt, hingegen scheint der Gruppengedanke wichtig zu sein. Müller erklärt: «Die Schüler warten dort aufeinander, denn sie wissen, wenn die Züge der anderen eintreffen. Dann laufen sie gemeinsam zum Unterricht.» Das Ziel: «Bereits vor Unterrichtsbeginn miteinander in Kontakt treten und als Gruppe zur Schule gehen zu können. Das gibt den Schülern Halt und Sicherheit.»