Expats über ihr Leben in der Schweiz
«Es ist nicht leicht, Schweizer Freunde zu finden»

Trotz hoher Lebensqualität haben viele Expats Schwierigkeiten, in der Schweiz Anschluss zu finden. Blick hat mit zwei Zugezogenen über ihre Erlebnisse gesprochen. Sprachbarrieren und kulturelle Unterschiede werden als zwei grosse Herausforderungen genannt.
Publiziert: 28.03.2025 um 16:36 Uhr
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Aktualisiert: 30.03.2025 um 16:26 Uhr
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Die US-Amerikanerin Stacy Fiehler wagte vor 15 Jahren den Sprung über den Atlantik – aus Liebe, wie sie zu Blick sagt.
Foto: Stacy Fiehler

Darum gehts

  • Expats finden die Schweiz zwar attraktiv, haben aber oftmals Integrationsschwierigkeiten
  • Schweizer Freundlichkeit und die Sprache gelten als Herausforderungen für Zugezogene
  • Laut dem «Expat-Insider-Report» 2024 belegt die Schweiz in der Kategorie «Freundlichkeit» Platz 46 von 53 Ländern
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Cédric HengyRedaktor News

Die Schweiz gilt weit über die Landesgrenzen als Garant für Stabilität und Wohlstand. Auch im Ranking der lebenswertesten Städte belegen Schweizer Ortschaften Jahr für Jahr Spitzenplätze. Für Expats sind die Verhältnisse hierzulande deshalb äusserst attraktiv. Doch haben sie sich erst einmal hier niedergelassen, droht so manchen ein böses Erwachen. Denn: Mit der Integration tun sich nicht wenige Zuzüger und Zuzügerinnen schwer.

Nicht nur die Sprache gilt als Hürde, auch mit der Schweizer «Freundlichkeit» haben so manche ihre Mühe. Laut dem letztjährigen «Expat-Insider-Report» ist die Schweiz in der Kategorie lediglich auf Rang 46 von 53 zu finden. Immerhin: Das sonst punkto Lebensqualität ebenso in den Himmel gelobte Dänemark schafft es ebenfalls nur auf Rang 45. Die Thematik rund um Expats in der Schweiz scheint nun offenbar auch im nahen Ausland auf Interesse zu stossen.

Aus Liebe zu Tangotänzer in die Schweiz gezogen

Die «Zeit» hat mit drei Schweizer Expats gesprochen. Eine von ihnen ist Stacy Fiehler (44). Die US-Amerikanerin wagte vor 15 Jahren den Sprung über den Atlantik – aus Liebe, wie sie zu Blick sagt. «Ich war seinerzeit mit einem argentinischen Tangotänzer zusammen, der sich in der Schweiz niedergelassen hatte. Ich beschloss, ihm zu folgen.» Über die Schweiz habe sie damals bis auf die üblichen Klischees rein gar nichts gewusst. Motivieren lassen konnte sie sich einzig zu einigen Deutschkursen. «Die haben mir hier aber nicht wirklich geholfen», sagt sie rückblickend.

Mit dem Tänzer sei sie zwar nicht mehr zusammen, so Fiehler. Doch in der Schweiz hat es sie dennoch gehalten. Heute lebt sie mit ihrem Mann – einem Briten – und ihrer Familie in Zürich. Einfach sei es anfangs aber nicht gewesen. «Es ist nicht leicht, als Zugezogene einen Schweizer Freundeskreis aufzubauen», sagt sie. Die Schweizer seien kulturell bedingt eine enge Gemeinschaft. Und auch der Faktor Zeit spiele eine wichtige Rolle. «Die Schweizer sind beschäftigte Leute», so Fiehler.

In der Folge habe sie sich vor allem einen internationalen Freundeskreis aufgebaut. Das Ami-Mami zu Blick: «Doch auch das war nicht unbedingt ein Klacks, zumal viele nach einiger Zeit wieder wegzogen und ich wieder von vorne anfangen musste.» Heute seien es vor allem die Freunde ihres Mannes, mit denen sie etwas unternehmen würden. «Das macht das Ganze etwas einfacher.»

«Es gibt hier auch sehr viele offene Leute»

Ähnliches berichtet auch Eduardo Aponte (37), der sich 2013 aus dem fernen Kolumbien in Zürich niederliess, um an der ETH Zürich seinen PhD – also den Doktortitel – zu machen. Es war nicht seine Premiere in der Schweiz. Bereits einige Jahre zuvor hatte er einen Abstecher nach Basel und Genf gemacht. «Mein Eindruck war damals aber nicht der beste», sagt er zu Blick. «Insbesondere Genf erschien mir vor allem als Stadt für Reiche, ältere Leute und Diplomaten.» Zürich jedoch scheint es dem Kolumbianer angetan zu haben.

Ein Vorteil war sicherlich, dass sich Aponte im Gegensatz zu Fiehler anfangs nicht allzu schwertat, Schweizer Freunde zu finden. «Ich lebte damals in einer WG mit anderen Schweizern zusammen, die alle sehr offen waren.» Er wisse aber auch von weniger positiven Erfahrungen. «Natürlich hört man immer wieder, dass Schweizer eher unter sich bleiben wollen, doch es gibt hier auch sehr viele offene Leute.»

Heute verkehre er jedoch wieder vermehrt in Expat-Kreisen, was auch mit seiner Arbeit zu tun haben dürfte. «Die Mehrheit der Mitarbeitenden bei uns sind international, folglich wird auch fast nur Englisch gesprochen.» Ob denn sein Deutsch nicht darunter leide? «Doch, das tut es natürlich schon ein wenig.»

«Die Schweizer haben ein Pokerface»

Ein Wegzug steht bei beiden derzeit nicht auf der Agenda. Sowohl Fiehler als auch Aponte fühlen sich mittlerweile hier zu Hause. Letzterer bemüht sich derzeit gar um die Schweizer Staatsbürgerschaft.

Was sie denn Expats raten würden, die vor einem Umzug in die Schweiz stünden oder gerade ihre Zelte hierzulande aufgeschlagen hätten? «Schweizer haben ein Pokerface, aber das sollte man keinesfalls persönlich nehmen», so Fiehler. Aponte: «Man sollte nicht davon ausgehen, dass man umgehend Schweizer Freunde finden wird. Dafür braucht man in der Schweiz etwas länger.»

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