Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron (43) greift durch. Am Montag verfügte er: Alle, die in Kliniken, Altersheimen oder Behinderteneinrichtungen mit besonders verletzlichen Personen arbeiten, müssen bis spätestens 15.September gegen Corona geimpft sein. Ansonsten droht ihnen die Kündigung.
Mit diesem Impfobligatorium steht Frankreich nicht alleine da. Auch in Grossbritannien, Griechenland, Italien oder Lettland gilt für das Pflegepersonal: ohne Impfung kein Job.
Und in der Schweiz? Hier setzen Bund und Kantone weiterhin auf Freiwilligkeit.
Nun aber prescht eine private Klinik vor. Das Centre Médical des Cadolles in Neuenburg öffnet zwar erst im Februar 2022 für Patienten, stellt jedoch schon jetzt in einer schriftlichen Erklärung klar: «Künftige Mitarbeiter müssen ihr Impfzertifikat vorweisen. Andernfalls werden sie nicht angestellt.» Die Regel gilt für alle – auch für das administrative Personal.
Das medizinische Zentrum rekrutiert derzeit rund 50 neue Mitarbeitende. Geplant ist eine Walk-in-Klinik mit zehn Arztpraxen, Labor, Radiologieraum, Physiotherapeuten und Zahnärzten.
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Impfverweigerung «inakzeptabel»
Für die Geschäftsleitung ist es «inakzeptabel», dass ein Teil des medizinischen Personals die Covid-Impfung verweigert. «Unsere Patienten werden die Türe unserer Einrichtung mit der Gewissheit betreten, dass alle Angestellten des Zentrums geimpft sind», sagt Direktor Pascal Locatelli.
Da die Neuenburger Klinik Corona-Impfungen bereits bei Vertragsabschluss zur Pflicht erklärt hat, dürfte die Massnahme arbeitsrechtlich keine Probleme verursachen. Schwieriger wird es, wenn Institutionen die Injektion für Beschäftigte zur Bedingung machen, die schon seit längerem angestellt sind. In Ausnahmefällen ist aber auch das möglich. Etwa dann, wenn Angestellte engen Kontakt mit besonders gefährdeten Patientinnen und Patienten haben.
Das Epidemiengesetz in der Schweiz erlaubt es dem Bund und den Kantonen zudem, für gewisse Personengruppen wie das Pflegepersonal eine Impfpflicht zu verhängen. Voraussetzung dafür wäre, dass die öffentliche Gesundheit «erheblich gefährdet» ist und die Bevölkerung nicht durch andere Massnahmen geschützt werden kann.
SonntagsBlick: Die Pandemie nimmt wieder Fahrt auf
Impfpflicht ist grundsätzlich menschenrechtskonform
Ob ein solches Obligatorium in der aktuellen Situation verhältnismässig wäre, müsste im Ernstfall geprüft werden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hielt in einem kürzlich veröffentlichten Urteil fest, dass eine Impfpflicht grundsätzlich zulässig und menschenrechtskonform sei.
Für die meisten Gesundheitseinrichtungen der Schweiz kommt eine Impfpflicht derzeit allerdings nicht infrage. SonntagsBlick hat zahlreiche Institutionen angefragt – alle winken ab.
Felix Huber, Präsident des Ärztenetzwerks Medix: «Für unsere Praxen ist das kein Thema.» Ein Obligatorium würde sich kontraproduktiv auswirken und den Widerstand gegen die Impfung noch verstärken. Huber ergänzt: «Wir müssen weiterhin positive Überzeugungsarbeit leisten.»
Pflege-Verbände wehren sich
Die Verbände des Pflege- und Spitex-Personals wehren sich gegen eine Impfpflicht. Roswitha Koch vom Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) betont zwar: «Für uns ist es ganz wichtig, dass möglichst viele Personen in der Schweiz sich impfen lassen.»
Die Entscheidung für oder gegen die Impfung sollte laut Koch aber trotzdem eine persönliche bleiben. «Wir müssen die Leute so gut informieren und beraten, dass sie sich freiwillig dafür entscheiden.»
Wie viele Pflegekräfte in der Schweiz bisher geimpft wurden, ist nicht klar. Umfragen deuten darauf hin, dass die Bereitschaft dazu bei Gesundheitsangestellten im Vergleich zu anderen Berufsgruppen im Durchschnitt niedriger liegt. Neuste Zahlen der Solothurner Spitäler zeigen jedoch, dass dort mittlerweile über 80 Prozent der Angestellten geimpft sind.
Von denjenigen, die in den vergangenen Monaten auf den Notfall-, den Intensiv- oder den Covid-Stationen gearbeitet haben, verfügen sogar knapp 90 Prozent über einen Impfschutz gegen Corona, bei den Ärztinnen und Ärzten der solothurnischen Spitäler sind es nicht weniger als 92 Prozent.
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