Im Gegensatz zu seiner politischen Ausrichtung verfolgt der französische Staatschef Emmanuel Macron gegen das Virus eine klare Linie. «Wir sind im Krieg», sagte er zu Beginn der Pandemie. Nun fährt er erneut scharfes Geschütz auf. Die Empfänger seiner martialischen Worte sind nun die Impfverweigerer.
Als eine der ersten grossen europäischen Nationen verkündete Macron diese Woche eine Impfpflicht für Pflegende und stellt klare Vorteile für Geimpfte in Aussicht: Wer am 1. August noch nicht gepikst wurde, braucht für den Restaurantbesuch und den Kaffee im Bistro einen Covid-Test – selbst dann, wenn er diesen nur auf der Terrasse schlürfen will. Für Ungeimpfte wird es ungemütlich.
Während das Land von Louis Pasteur seinem Pionier bei der Erforschung von Infektionskrankheiten alle Ehre macht, radikalisiert der strenge Kurs die Impfgegner. Verschwörungstheoretiker und ehemalige Gelbwesten-Anhänger protestierten sofort vehement gegen die neuen Beschlüsse. Während arme Länder auf Impfdosen hoffen, sprechen sie von Tyrannei und Diktatur.
Macron fürchtet um die Wiederwahl
Macron hält dem Druck stand, denn er weiss die Impfkritiker in der Minderheit. Laut Umfragen unterstützen die Franzosen die Ankündigungen grossmehrheitlich. Bei seinem harten Durchgreifen schwingt auch politisches Kalkül mit. Emmanuel Macron führt nicht nur eine Kampagne gegen das Virus, sondern auch für sich selbst. Sollte Frankreich aufgrund der Delta-Variante wieder stark von der Pandemie getroffen werden und einen neuen Lockdown einführen müssen, würden sich die Auswirkungen für die Bevölkerung und die Wirtschaft gefährlich nahe bis an die nächste Präsidentschaftswahl im April 2022 hinziehen. Keine gute Ausgangslage für eine Wiederwahl.
Mit seinem Vorpreschen und den strengen Regeln profiliert sich Macron als starker Chef, der die Dinge in die Hand nimmt. Das gefällt der Rechten. Von Frankreichs Linken, die sich weitestgehend zerlegt hat und es nicht schafft, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten zu einigen, geht für Macron so gut wie keine Gefahr aus. Der konservative Xavier Bertrand und die rechtsextreme Rassemblement-National-Chefin Marine Le Pen hingegen erleben Umfragehochs.
Der Präsident mit linker DNA weiss vier Jahre nach «weder links noch rechts»: Wenn er sich ein zweites Mandat sichern will, muss er in ihrem Wählerreservoir fischen. Auch deshalb klang Macron am Montag nicht nur wie ein Krisenmanager, sondern wie ein Wahlkämpfer. Mit seiner Rede eröffnete er für die französische Polit- und Medienlandschaft inoffiziell den Run auf das Élysée.