In den frühen Morgenstunden am vergangenen Dienstag schlugen die Ermittler zu. Mehrere Polizeiwagen fuhren bei einer Pizzeria mitten in Muri AG vor. Als Resultat von der gross angelegten Aktion wurde mindestens eine Person festgenommen und von der Sondereinheit Argus nach Bern abgeführt (BLICK berichtete).
Die Razzia ist das Ergebnis der Operation Imponimento. Vier Jahre lang haben Hunderte Spezialisten aus der Schweiz und Italien gegen den kalabrischen Mafia-Clan rund um den 'Ndrangheta-Paten Rocco Anello (59) ermittelt. Bis zum Schlag gegen das organisierte Verbrechen diese Woche ist die Anello-Akte auf 3500 Seiten angewachsen. Der Inhalt zeigt: Die Mafiosi hatten sich ein funktionierendes Netzwerk in der Schweiz aufgebaut.
Paten-Sohn durfte Parkplatz für Töffgeschäfte nutzen
Aus den Unterlagen, die der «SonntagsZeitung» vorliegen, geht hervor, dass der Clan in der Schweiz vor allem mit Drogen- und Waffengeschäften Geld verdiente. Neben Koks und Marihuana war offenbar auch der Einstieg ins Heroin-Business geplant. Bei Hausdurchsuchungen wurden zudem mehrere Sturmgewehre, Pistolen und eine grosse Menge Munition sichergestellt.
Wie wichtig die Pizzeria in Muri für die illegalen Geschäfte des Clans waren, geht ebenfalls aus der Akte hervor. Für Rocco Anello soll gar ein eigener Parkplatz in der Garage des Lokals reserviert gewesen sein – für 200 Euro im Monat. Solange sich der Big Boss in Kalabrien aufhielt, durfte sein Sohn Rocco junior den Platz nutzen und dort Töffs für seinen Motorradhandel parkieren.
Geklautes Sturmgewehr in eine Coop- und eine Volg-Tasche eingewickelt
Dass die Ermittler den Gangstern in der Schweiz auf die Schliche kamen, verdanken sie zu einem grossen Teil einem sogenannten Pentito. So werden Ex-Mafiosi bezeichnet, die Reue zeigen und bereit sind, über die Organisation auszupacken.
Im Restaurant in Muri hat die Bundesanwaltschaft daraufhin gezielt einen verdeckten Ermittler eingeschleust, wie die «SonntagsZeitung» schreibt. Dieser V-Mann mit dem Decknamen Miguel schaffte es, den Mafiosi wichtige Informationen zu entlocken – und in ihre Geschäfte eingeweiht zu werden. So soll der 53-jährige Bauunternehmer Francesco B.* einem anderen getarnten Ermittler ein Sturmgewehr der Schweizer Armee für 2000 Franken verkauft haben, das als gestohlen gemeldet war – eingewickelt in eine Coop- und eine Volg-Tasche.
Bargeld-Transport bis nach Kalabrien – jede Woche
Francesco B. pflegte offensichtlich beste Verbindung bis ganz nach oben. An Weihnachten soll er jeweils Rocco Anello besucht haben – «vorausgesetzt, er war gerade nicht im Gefängnis», wie es in der Akte steht. Und: Anello soll sich bei B. gerne revanchiert haben und diesem zum Beispiel die Hälfte der Kosten für dessen Feier zum 50. Geburtstag bezahlt haben.
Ausgaben, die sich Anello gut leisten konnte. Neben Waffen haben die Mafia-Mitglieder vor allem Geld aus der Schweiz nach Italien geschmuggelt. Wöchentlich fuhren dafür Personen mit dem erlaubten Maximalbetrag von 10'000 Franken in bar über die Grenze. Das Ziel war immer das gleiche: die Kleinstadt Filadelfia in Kalabrien, Heimat des Anello-Clans, über 1400 Kilometer von Muri entfernt. (cat)
* Name geändert
In der Schweiz dürften deutlich mehr Mafia-Angehörige leben als bisher angenommen. Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) hat eine Schätzung italienischer Strafverfolger und Experten, bestätigt, wonach rund 400 Mafia-Angehörige in der Schweiz leben.
Die «NZZ am Sonntag» zitierte Aussagen von Experten aus Italien wonach es in der Schweiz rund 20 Mafia-Zellen mit 400 Akteuren gebe. Wie ein Sprecher des Fedpol gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte, könnte es allerdings hierzulande auch noch mehr Mafia-Akteure geben, da «nicht alles» gesehen werde.
Schweiz als Rückzugsort
Im Fedpol-Jahresbericht 2019 hatte es noch geheissen, man habe Kenntnis von rund 100 Mitgliedern meist der kalabresischen 'Ndrangheta, aber auch der sizilianischen Cosa Nostra und der neapolitanischen Camorra, die sich in der Schweiz aufhielten.
Laut dem Fedpol sind die Mafia-Angehörigen vor allem in den grenznahen Kantonen Tessin, Graubünden und Wallis sowie in städtischen Zentren und Agglomerationen ansässig. «Sie sind seit Jahren in der Schweiz, sind unauffällig und gut integriert und haben einen Job.» Die Schweiz gilt dabei oft als Rückzugsort im Herzen von Europa, den man auch schnell wieder verlasen kann. (SDA)
In der Schweiz dürften deutlich mehr Mafia-Angehörige leben als bisher angenommen. Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) hat eine Schätzung italienischer Strafverfolger und Experten, bestätigt, wonach rund 400 Mafia-Angehörige in der Schweiz leben.
Die «NZZ am Sonntag» zitierte Aussagen von Experten aus Italien wonach es in der Schweiz rund 20 Mafia-Zellen mit 400 Akteuren gebe. Wie ein Sprecher des Fedpol gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte, könnte es allerdings hierzulande auch noch mehr Mafia-Akteure geben, da «nicht alles» gesehen werde.
Schweiz als Rückzugsort
Im Fedpol-Jahresbericht 2019 hatte es noch geheissen, man habe Kenntnis von rund 100 Mitgliedern meist der kalabresischen 'Ndrangheta, aber auch der sizilianischen Cosa Nostra und der neapolitanischen Camorra, die sich in der Schweiz aufhielten.
Laut dem Fedpol sind die Mafia-Angehörigen vor allem in den grenznahen Kantonen Tessin, Graubünden und Wallis sowie in städtischen Zentren und Agglomerationen ansässig. «Sie sind seit Jahren in der Schweiz, sind unauffällig und gut integriert und haben einen Job.» Die Schweiz gilt dabei oft als Rückzugsort im Herzen von Europa, den man auch schnell wieder verlasen kann. (SDA)