Es geschieht am helllichten Tag. Santo Panzarella (†29) wird am 10. Juli 2002 ins Gewerbegebiet von Lamezia Terme (I) gelockt. Dort schiesst ein Killer des Anello-Clans dem jungen Mann ins Gesicht. Santo ist nicht tot, als er in den Kofferraum des Alfa 164 geworfen wird. Er stöhnt und schreit. Die Mafiosi schiessen nochmals auf ihn, brechen ihm die Beine. Dann wird der leblose Körper zerstückelt und entsorgt. Jahre später graben Ermittler ein Jochbein aus. Die DNA belegt: Es ist von Santo Panzarella.
Auch Valentino Galati (†21) stirbt heimlich. Fünf Jahre nach Santos Tod. Die Leiche des jungen Kalabresen wird ebenfalls auseinandergesägt. Auch sie soll nie gefunden werden. Doch ein Fuss mit Tennisschuh wird in Vibo Valentia (I) an den Strand gespült und von einem Fischer gefunden.
Bei lebendigem Leib verbrannt
Valentinos Bruder Cristian Galati (†24) wird an Neujahr 2009 verschleppt, mit einem Hammer niedergeschlagen, dann an einen Baum gebunden und bei lebendigem Leib angezündet. Er erliegt zwei Monate später seinen schweren Verbrennungen.
Santo und Valentino wurden von der Mafia hingerichtet, weil sie die falsche Frau liebten: Angela B.* (40), die schöne Ehefrau von Rocco Anello (59). Es ist jener Big Boss, dem am Dienstagmorgen die grösste gemeinsame Polizeiaktion gegen die `Ndrangheta von Schweizer und italienischen Behörden galt (BLICK berichtete). Der Verdacht: Der Pate vom Mafia-Nest Filadelfia beauftragte seine Leute, darunter auch Bruder Tommaso (54), aus Rache die Lover seiner Frau zu ermorden. Und nur weil Cristian Galati nach seinem Bruder sucht, muss auch er sterben.
Razzien finden Waffen des Anello-Clans
Rund 50 junge Männer sind in den vergangenen Jahrzehnten im Machtbereich des Clans verschwunden. Wurden sie mit Schweizer Waffen getötet? Während der Grossrazzien am Dienstag finden italienische Beamte ein imposantes Arsenal beim Anello-Clan. Es sind Pistolen, Gewehre, darunter Kalaschnikows und Munition. Die Waffen stammen zum grossen Teil aus der Schweiz.
Zeitgleich mit den Mafia-Jägern in Kalabrien schlagen auch Bundespolizei (Fedpol) und Kantonspolizeien Aargau, Tessin, Solothurn und Zug zu. Im Visier sind drei Süditaliener: ein Bauunternehmer, ein Pizzeria-Wirt aus Muri AG und ein Gemeindearbeiter aus Lugano TI. Aufgeflogen ist das Trio dank eines verdeckten Ermittlers im Kanton Aargau.
Waffen aus der Schweiz sind einfach zu beschaffen
Ihm gegenüber prahlt der Bauunternehmer Francesco B.** (53): «Ich bin seit 1982 in der Schweiz, habe viel Geld für Sportwagen und Huren ausgegeben.» Aus den Ermittlungsakten der Italiener geht hervor, dass Francesco B. dem verdeckten Ermittler ein Sturmgewehr des Schweizer Militärs anbot, das als gestohlen gemeldet war. Auch in der Wohnung des Gemeindearbeiters aus Lugano werden bei der Razzia eine Pistole und ein Gewehr sichergestellt.
Dass Rocco Anello hinter dem Waffenhandel aus der Schweiz stecke, gehe bereits aus einem Ermittlungsverfahren aus dem Jahre 1998 hervor, berichtet der «Corriere della Calabria». Auch Auftragsmörder sollen in Italien geschwärmt haben, dass alle Waffen aus der Schweiz kämen. Der einfache Grund: Sie seien leicht zu beschaffen.
* Name bekannt
** Name geändert