Der Vorfall passierte vor rund drei Jahren. Betroffen vom Betrug war die Schweizer Familie Meier*, die auf die Philippinen ausgewandert war. In der alten Heimat behielten sie ein Postfinance-Konto mit rund 80'000 Franken, die dazugehörigen Kontounterlagen verwaltete eine Schweizer Notarin. Doch offenbar verschickte die Bank trotzdem einen Brief auf die Adresse auf den Philippinen – ein dort wohnhafter Betrüger fing die Unterlagen ab.
Der Täter meldete sich anschliessend über mehrere Wochen hinweg bei der Postfinance und gab sich als Peter Meier* aus. Wie die «Basler Zeitung» berichtet, beantwortete er die Fragen, mit denen er sich gegenüber der Bank identifizieren sollte, teilweise falsch oder völlig unverständlich – dem Mitarbeitenden kam das aber nicht ungewöhnlich vor. Schliesslich stellte ihm die Postfinance sogar eine Karte mit PIN zu und erhöhte auf seinen Wunsch die Kartenlimite. Er hob insgesamt 78 Mal ab und ergaunerte sich damit rund 50'000 Franken. Und: 27 weitere Bezüge wurden blockiert, weil jeweils die Kartenlimite erreicht war.
Familie Meier muss Teil des Schadens zahlen
Aufgeflogen war der Betrug erst, als die betroffene Familie bei einem Besuch in der Schweiz auf der Bank war und bemerkte, dass das Geld fehlte. Sie liess das Konto sofort sperren und erstattete Anzeige – die Behörden in der Schweiz und auf den Philippinen fingen mit den Ermittlungen an. Der Fall landete sogar vor Gericht, um zu klären, wer den entstandenen Schaden übernimmt.
Inzwischen ist klar: Die Postfinance muss fast den gesamten Schaden decken. Ein kleiner Teil geht aber dennoch zu Lasten von Familie Meier. Denn laut Gericht hätte der Betrug schneller aufgedeckt werden können, wenn sie die monatlichen Kontoauszüge kontrolliert hätte.
Massive Sorgfaltspflichtverletzung
Eine wichtige Rolle vor Gericht spielten elf aufgezeichnete Telefongespräche zwischen dem Betrüger und Postfinance. Diese waren für Schulungszwecke aufgenommen worden und zeigen, wie einfach es die Bank dem Gauner gemacht hatte. Denn die Mitarbeitenden stellten dem Anrufer nur allgemein gehaltene Sicherheitsfragen, gaben sich teilweise sogar mit nicht vollständig zutreffenden Antworten zufrieden.
Und: «Insbesondere fällt auf, dass es sich nicht um Einzelfälle gehandelt hatte, in denen das verlangte Mass an Sorgfalt bei der Identitätsfeststellung nicht eingehalten worden ist, sondern bei fast jedem der aufgezeichneten Anrufe», hiess es im Urteil. Dass Postfinance trotz aller Auffälligkeiten keinen Verdacht schöpfte, wird vom Gericht als massive Sorgfaltspflichtverletzung angesehen.
Betrugsabwehr verbessert
Laut einem Sprecher der Postfinance handelte es sich dabei um einen Einzelfall, der sich nur aufgrund einer Verkettung von unglücklichen Umständen ereignen konnte. Seit dem Vorfall habe sich die Betrugsabwehr der aber Bank verbessert, sagte er gegenüber der Zeitung.
So habe die Bank Mitte September 2018 beispielsweise eine Stimmerkennung eingeführt. Zudem investiere Postfinance in die Ausbildung und die laufende Sensibilisierung ihrer Mitarbeitenden – auch rund um das Thema Betrug. (bra)
*Name geändert