Die Fallzahlen steigen, die Virologen warnen und die Behörden warten erstmal ab: Die aktuelle Situation rund um die Omikron-Untervariante BA.5 erinnert an die Anfänge der Corona-Pandemie Anfang 2020. Seit Mai verdoppeln sich die Infektionen mit BA.5 beinahe wöchentlich – eine Verbesserung ist laut der ehemaligen Taskforce-Leiterin und Leiterin der ETH-Plattform CoV-Spektrum, Tanja Stadler (41), erst in Sicht, wenn «eine ausreichende Immunität aufgebaut» ist oder wenn «Verhaltungsveränderungen die Übertragung reduzieren».
Aber ist BA.5 tatsächlich so viel ansteckender als vorherige Varianten des Coronavirus? Christian Althaus, Epidemiologe an der Universität Bern, erklärt das gegenüber der «Aargauer Zeitung» anhand eines Experiments. Eigentlich sei die Delta-Variante ansteckender als die Omikron-Untervarianten, doch BA.5 und Co. hätten einen entscheidenden Vorteil: Sie können die aufgebaute Immunität im Körper leichter umgehen.
BA.5 hat mit hohem R-Wert die Sommerwelle losgetreten
Althaus vermutet, dass Omikron und seine Untervarianten vor allem deshalb ansteckender seien. Eine noch ungeprüfte Studie des Schweizer Virologen Volker Thiel gibt Althaus recht: Obwohl sich Omikron theoretisch langsamer in der Bevölkerung verbreitet, hat sie Delta dank diesem entscheidenden Vorteil faktisch komplett verdrängt.
Während der R-Wert im letzten Winter, wo vor allem die Varianten BA.1 und BA.2 kursierten, auf 0,8 absank, hat BA.5 den Wert laut Althaus auf 1,4 getrieben – und so die Sommerwelle losgetreten. Das bedeutet konkret: BA.5 kann aktuell beinahe zweimal so viele Personen infizieren wie sein Vorgänger BA.2.
«Ich erwarte, dass sich rund 15 Prozent der Bevölkerung der Schweiz mit BA.5 anstecken werden, bis der R-Wert wieder auf 0,8 sinkt», so der Epidemiologe gegenüber der Zeitung. Er schätzt aber, dass immerhin noch rund 65 Prozent der Bevölkerung einen ausreichenden Schutz gegen die neue Untervariante haben.
Doch er gibt auch Entwarnung, die Sommerwelle werde wohl nicht so dramatisch wie die Omikron-Winterwelle, zumindest, was die ganze Bevölkerung und das Gesundheitswesen angeht. Trotzdem dürfe man nicht vergessen: Im Einzelfall könne jemand immer noch schwer erkranken und auch das Risiko von Long Covid bleibt weiterhin bestehen. (chs)