«Es gibt keine schlimmen Nebenwirkungen»
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Impf-Chef über Kinderimpfung:«Es gibt keine schlimmen Nebenwirkungen»

Eine ethische Anleitung für Eltern
Soll ich mein Kind impfen?

Die Covid-Prophylaxe für Fünf- bis Elfjährige läuft im Januar an. Aber ist sie auch sinnvoll? Für viele ist diese Frage nicht so leicht zu beantworten.
Publiziert: 19.12.2021 um 00:26 Uhr
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Aktualisiert: 19.12.2021 um 09:26 Uhr
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Bei den Eltern dürfte die Kinderimpfung für Gesprächsstoff sorgen. Es gilt abzuwägen: Wo ist der Nutzen, wie gross das Risiko, gibt es übergeordnete Aspekte?
Foto: Getty Images
Sven Zaugg

Seit Zulassung des Kindervakzins von Biontech/Pfizer beschäftigen sich viele Eltern mit der Frage, ob sie ihr Kind, ihre Kinder impfen lassen sollen oder nicht. Die eidgenössische Kommission Ekif empfiehlt die Immunisierung «besonders für Kinder mit chronischen Krankheiten» oder solche, die in einem «engen Kontakt zu gefährdeten Erwachsenen» stehen.

Aber eben nicht nur. «Alle Eltern können ihr Kind auf Wunsch impfen lassen», fügt der Kinderarzt und Ekif-Präsident Christoph Berger an. Damit ist der Weg frei für eine breite Immunisierung Nichterwachsener.

Dennoch dürfte sie am heimischen Küchentisch für Gesprächsstoff sorgen. Für Eltern gilt es abzuwägen: Wo ist der Nutzen, wie gross das Risiko, gibt es übergeordnete Aspekte?

Spezialist für solche Fragen ist Urban Wiesing, Direktor des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin an der deutschen Universität Tübingen. Sein Urteil: «Corona ist eine hochinfektiöse und gefährliche Krankheit und deshalb keine Privatangelegenheit mehr.» Eltern stünden vor folgenden Fragen:

  • Wie gross ist der medizinische Nutzen für die Kinder?

Die Antwort: nicht sehr gross. Denn obwohl auch bei Kindern vielfach das Entzündungssyndrom Pims oder Long Covid diagnostiziert wurden, verläuft die Krankheit bei den allermeisten ohne Symptome. Schwere Fälle treten nur selten auf.

  • Wie gross ist das Risiko unerwünschter Nebenwirkungen?

Antwort: verschwindend klein. Seit der Zulassung des Biontech/Pfizer-Vakzins in den USA vor fast zwei Monaten erhielten rund acht Millionen Kinder eine Spritze. Verabreicht wird eine deutlich geringere Dosis. Ein schmerzender Arm ist die häufigste Nebenwirkung. Langzeitfolgen sind nicht bekannt.

  • Wie gross ist der soziale Nutzen?

«Erheblich», sagt Medizinethiker Wiesing. «Klassen müssen nicht in Quarantäne, der Unterricht kann fortgesetzt werden. Das Leben des Kindes nimmt seinen normalen Gang, die sozialen Kontakte bleiben bestehen.» Wichtig auch: Kinder aus bildungsschwachen Schichten würden so nicht «abgehängt».

  • Wie gross ist der gesellschaftliche Nutzen?

Erheblich. «Das Virus», sagt Wiesing, «verursacht Tod, menschliches Leid und wirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe. Wird die Zirkulation in den Schulen gestoppt, nützt es uns allen.» Gerade weil die ganze Gesellschaft von der Impfung profitierten, sei eine Immunisierung der Kinder geboten.

Allerdings müssen Eltern akzeptieren, wenn sich ihr Kind nicht impfen lassen will. Sonst verletzen sie dessen Grundrechte. Denn die Impfung stellt einen Eingriff in die körperliche Integrität dar. Pädiater betonen deshalb, dass ein Kind «frei und ohne Druck» abwägen dürfe, welchen Nutzen und welches Risiko eine Impfung mit sich bringt. Die Krux: Wohl kaum ein fünfjähriges Kind ist dazu imstande.

Das Bundesamt für Gesundheit geht davon aus, dass diese Urteilsfähigkeit bei Kindern im Alter zwischen zehn und 15 Jahren gegeben ist. Im Einzelfall hat der Kinderarzt das letzte Wort. Sonst entscheiden die Eltern – im besten Fall – zum Wohle des Kindes.

Dabei spielt die gesellschaftspolitische Haltung der Eltern eine immer wichtigere Rolle. Die Pandemie hat dazu geführt, dass die Impffrage in Teilen der Gesellschaft zum Ringen um politische Glaubenssätze geworden ist.

Nikola Biller-Andorno, Direktorin des Instituts für Biomedizinische Ethik und Medizingeschichte an der Universität Zürich, warnt davor, die Frage der Immunisierung von Kindern moralisch aufzuladen. Sie plädiert vielmehr für Augenmass: «Wir wollen eine starke, demokratische Gesellschaft, die auch komplexe Probleme sachlich diskutieren kann.» Hier bestehe allerdings grosser Nachholbedarf: Die Wissenschaftskommunikation des Bundes und der Hochschulen müsse sich verbessern, sagt die Medizinethikerin.

Und weil derzeit nicht alle medizinischen Fakten jedem bekannt sind oder werden, verbreiten sich alternative Erklärungen mühelos. Hubert Steinke, Medizinhistoriker an der Universität Bern, stellt eine «Radikalisierung der Impffrage» fest. Und befürchtet konkrete Folgen für bereits breit akzeptierte Kinderimpfungen: «Dass die Immunisierung gegen Mumps oder Masern von breiteren Teilen der Gesellschaft infrage gestellt wird, müssen wir unbedingt verhindern. Doch genau das könnte nun passieren.»

Wie viele Eltern sich für oder gegen eine Impfung ihrer Kinder entscheiden, wird sich im Januar zeigen. Dann startet die Immunisierungskampagne für die jüngste Impfgruppe.

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