Die Fotografie wurde 1839 erfunden – nur 25 Jahre vor der Gründung des Internationalen Roten Kreuzes. Die humanitäre Hilfe hat früh auf die Kraft der Bilder gesetzt, um auf ihre Arbeit aufmerksam zu machen. Diese für Marketingzwecke gedruckte Postkarte aus dem Jahr 1915 zeigt Pflegerinnen, die in Genf auf einen Zug mit verwundeten Soldaten aus Frankreich warten. Von beiden Weltkriegen gebe es sehr viele Fotos in den Archiven, sagt die Kuratorin Nathalie Herschdorfer. Dabei falle auf, dass man immer wieder auf die Arbeit in Genf aufmerksam machen wollte.
Ab den 1960er-Jahren schickte das Rote Kreuz Fotografen in Krisengebiete. Dieses Bild, das den Transport eines Verletzten zeigt, wurde 1964 im Jemen aufgenommen, als sich dort Royalisten und Republikaner bekriegten. «Damals war die Hierarchie anders als heute: Es war der weisse Europäer, der in Krisen intervenierte. Auf diesem Foto ist er klar der Chef», sagt Herschdorfer. Heute arbeite das IKRK viel stärker auf Augenhöhe mit Einheimischen zusammen. Im Jemen, wo derzeit eine der grössten humanitären Krisen dieser Zeit herrscht, hat das IKRK eine Delegation von rund 800 Personen.
Manchmal braucht es keine Bomben und Blut, um einen Konflikt zu zeigen. Kurz nach dem Sechstagekrieg 1967 zwischen Israel und arabischen Staaten fotografiert der Genfer Jean Mohr dieses intime Sujet. In Ramallah schaut ein palästinensischer Junge durch das Fenster, während ein israelischer Offizier mit Vertretern des IKRK spricht. «Für mich ist das auch ein Foto der Hoffnung», sagt die Kuratorin Nathalie Herschdorfer. Es zeige zwei Generationen, deren Leben in diesem Moment nur durch eine Scheibe getrennt sind. Das IKRK hilft in Konflikten beiden Seiten.
Viele Schweizer meldeten sich 1999 bei der Hotline des Roten Kreuzes, um Geflüchteten des Kosovokriegs zu helfen. Die Solidarität wurde wohl auch gestärkt durch Bilder wie dieses: Im albanischen Kukes warteten hungrige Vertriebene auf Brot. «Oft sieht man auf Fotos des Roten Kreuzes eine grosse Menschenmenge. Das symbolisiert ganz klar: Eine ganze Bevölkerung braucht Hilfe», sagt Herschdorfer.
Dieses Foto aus dem Jahr 2003, aufgenommen im Bürgerkrieg in Liberia, ist ein rares Motiv im Archiv des Roten Kreuzes. Es zeigt nicht die humanitäre Arbeit selbst, sondern ihren Kontext. Die Kämpfer der Regierungsarmee wirken fröhlich, doch das Bild vermittelt viel Gewalt. Es zeige auch, dass das IKRK nicht vor Ort sei, um einen Krieg zu beenden, sagt die Kuratorin. Vielmehr behandle die Organisation alle Menschen mit Respekt, egal ob Zivilisten oder Gefangene. Auf öffentliche Anklagerhetorik verzichten sie.
«Mich hat dieses Foto sehr beeindruckt», sagt die Kuratorin Nathalie Herschdorfer. Es vermittle die Botschaft, dass das Rote Kreuz jede Gefahr auf sich nehme, um zu helfen. Lese man die Bildlegende, erfahre man aber, dass das Bild nicht in einem Kriegsgebiet, sondern 2013 in Sydney aufgenommen wurde. Die Karosserie war Teil einer Aktion des Roten Kreuzes. Die Gefahr allerdings ist real: Ende 2020 starben drei lokale IKRK-Mitarbeiter bei einem Raketenangriff im Jemen.
Die Sonderausstellung «Un monde à guérir» läuft noch bis zum 24. April 2022 im Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondmuseum in Genf.
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