Der Burgdorfer Thomas Grimm (54) steht vor dem Spital Langnau BE und schwankt ein bisschen. Er hustet und ringt nach Atem. Die leichte Steigung vor der Klinik bringt ihn an seine Grenzen. Er muss stehen bleiben.
«Das war mein erster Spaziergang, seit ich im Spital bin», sagt er und lächelt. «Ich freue mich, dass ich mich wieder fortbewegen kann. Vor wenigen Tagen konnte ich ohne zusätzlichen Sauerstoff nicht mal vom Bett zum Esstisch im Isolationszimmer gehen.»
Vom Impf-Gegner zum Impf-Promoter
Den gelernten Kaufmann, Buchhalter sowie jahrelangen Inhaber eines Teefachgeschäfts und Online-Versandes hat Corona voll erwischt. Wie er dem Lokalfernsehen TeleBärn vorführte, konnte er im Spitalbett kaum mehr ein Taschentuch mit seinem Atem bewegen. Jetzt will er möglichst vielen Menschen Mut machen, sich impfen zu lassen. Ein krasser Gegensatz zu seiner Haltung vor der Krankheit. Er sprach sich öffentlich gegen das Impfen aus, war selber nicht geimpft.
Keine Masken, keine Abstände
Angesteckt hat er sich wahrscheinlich an einer Veranstaltung der «Freunde der Verfassung» in der Markthalle in Burgdorf vom 19. Oktober. «Es waren etwa 100 Zuschauer», erinnert sich Grimm. «Die Leute sassen wie Hühner auf dem Stängeli dicht an dicht. Ich schämte mich, eine Maske zu tragen, wäre der einzige gewesen. Niemand hielt sich an irgendeine Regel zur Verhinderung einer Ansteckung.»
Sechs Tage später beginnt er zu husten. «Ich schob es zuerst auf den Wetterwechsel, als Asthmatiker habe ich oft Probleme.» Doch er bemerkt, dass etwas anders ist. Seine Reaktion: «Ich machte einen Selbsttest. Es gab eine leichte Linie. Danach begann das Fieber. Ich informierte alle, die ich in den letzten Tagen getroffen hatte.»
Dann streckte ihn das Virus nieder. «Ich konnte kaum mehr die wenigen Meter zur Toilette gehen, hatte hohes Fieber und keine Kraft. Diese Tortur ist schlimmer als alle Nebenwirkungen.» Ins Spital wollte er noch nicht. «Ich wäre ja gegenüber meinen Facebook-Lesern wortbrüchig geworden. Ich habe mich öffentlich gegen das Impfen ausgesprochen, habe mich nicht impfen lassen.»
Er konnte nicht mehr
Am 2. November war er mit der Kraft am Ende und rief den Hausarzt an. Der liess ihn umgehend ins Spital einweisen. Eine Woche lang ist unklar, wie sich der Verlauf entwickelt. Sauerstoffzufuhr und eine Cortisonkur bringen zum Glück rasche Besserung. Am Sonntag durfte er zum ersten Mal für einen kleinen Spaziergang das Spital verlassen.
Die Krankheit war für ihn ein Schlüsselerlebnis. Er sagt: «Ich bitte alle Menschen um Entschuldigung, dass ich mit meinem egoistischen Verhalten das öffentliche Spitalwesen unnötig belastet habe. Und ich bitte auch alle Menschen herzlich um Entschuldigung, die wegen so egoistischen Menschen, wie ich es war, eine geplante Operation verschieben mussten. Ich verstehe eure Wut, sie ist sehr berechtigt!»
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