Thomas Wegmann (47) sitzt in der Geschäftsleitung von Allianz Suisse. Der Ukraine-Krieg beschäftigt ihn stark. Vor zwei Wochen fuhr er darum mit seiner Partnerin an die ungarisch-ukrainische Grenze und fand Flüchtende, die in die Schweiz kommen wollten.
Wieder hier, stellte Wegmann fest, dass die Integration unerwartete Tücken hat. Vor allem, was die Sprache angeht. «Viele der Flüchtlinge können weder Deutsch noch Englisch», sagt er zu Blick. Das bringe zusätzlichen Stress in die ohnehin sehr angespannte Situation, wenn beispielsweise die Ukrainer nicht mit ihren Gastfamilien kommunizieren können. Wegmann: «Sie wissen dann nicht, wie lange sie bleiben können, ob sie überhaupt willkommen sind, und so weiter». Auch bei Behördengängen oder wichtigen Besorgungen gebe es öfters Verständigungsprobleme.
Flüchtlinge helfen Flüchtlingen
Die Allianz hat darum unter der Telefonnummer 058 358 50 00 eine Gratis-Hotline für Ukraine-Flüchtlinge und Gastfamilien aufgebaut (es fallen lediglich die normalen Gebühren der schweizerischen Telefonbetreiber an). Wer Verständigungsprobleme hat oder Hilfe bei einer Aufgabe oder einem Gespräch braucht, kann zwischen Montag und Sonntag, 8 bis 22 Uhr, anrufen. Am anderen Ende der Leitung sitzen ebenfalls geflüchtete Ukrainer, die Deutsch können.
Gefunden habe man diese über Telegram- und WhatsApp-Gruppen, sagt Wegmann. Viele hätten sich beworben, genommen habe man schlussendlich acht. «Die Zahl ist nicht endgültig, wir gehen davon aus, dass grosser Bedarf für das Angebot da ist», sagt Wegmann. Einen Lebenslauf habe man «natürlich nicht verlangt, sowas trägt ja kaum jemand bei der Flucht auf sich». Es habe stattdessen ein mündliches Gespräch stattgefunden. «Diese Stelle macht für die acht Menschen einen grossen Unterschied und hoffentlich auch für diejenigen, die das Angebot nutzen», sagt Wegmann.
Vertrag über drei Monate – vorerst
Es hätten sich auch viele Ukrainer gemeldet, die bereits in der Schweiz leben, doch der Allianz sei es wichtig gewesen, nur Personen mit dem S-Status (Anm. der Red: «S» steht für Schutzbedürftige) zu berücksichtigen. Diese hätten im ersten Schritt einen befristeten Vertrag über drei Monate erhalten.
Innert weniger Tagen wurden die neuen Mitarbeiter geschult, die erforderlichen Genehmigungen bis auf wenige Ausnahmen – diesen Sonntag darf die Hotline nicht betrieben werden – eingeholt. Seit Donnerstag kann das Angebot genutzt werden, von dem Wegmann hofft, dass es zwar rege beansprucht, aber nicht allzu lange benötigt wird.
«Wir haben eine moralische Verpflichtung»
Zwar gibt es mit der medialen Berichterstattung darüber nun auch gratis Werbung für die Allianz, aber das sei überhaupt nicht die Idee hinter der Aktion, sagt Wegmann. «Ich bin schliesslich nicht an die Grenze gefahren, mit dem Gedanken, im Blick zu stehen.» Im Gegenteil, man zahle den Flüchtlingen «sehr faire, branchenübliche Löhne» und versuche so, den eigenen Beitrag zur Bekämpfung des Konflikts zu leisten. Wegmann: «Wir haben eine moralische Verpflichtung, etwas zu machen. Wenn man als Firma gutes Geld verdient, sollte man in einer Krise auch an andere denken.»