Diagnose Handy-Sucht
Zurück ins echte Leben

Viele Schweizer finden, dass sie zu viel Zeit am Handy verbringen. Die Diagnose Handy-Sucht ist da nicht mehr weit entfernt. Jetzt bieten immer mehr therapeutische Einrichtungen Hilfe an.
Publiziert: 14.10.2018 um 11:55 Uhr
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Aktualisiert: 18.12.2018 um 13:47 Uhr
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So oft sind wir wirklich am Handy
1:51
Umfrage zur Handynutzung:So oft sind wir wirklich am Handy
Dana Liechti

Der Handykonsum der Schweizer gibt zu denken. Wie Tanja Schulthess geht es vielen: Sie schauen zu häufig auf ihr Smartphone – und geben es sogar zu. Dann liegt die Dia­gnose Handysucht nahe.

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Jetzt reagieren auch therapeutische Einrichtungen. Im Sommer eröffneten die Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel (UPK) eine stationäre Abteilung für Verhaltenssüchte, in der Handysucht behandelt werden kann. Auch das Zentrum für Spielsucht und andere Verhaltenssüchte in Zürich sowie die Suchtklinik Selhofen in Burgdorf BE bieten Hilfe.

Prominent im Internet präsent ist zudem Hypnobeep, eine Kombination aus Hypnose und Verhaltenstherapie.

Die Handysucht sei in der stationären Behandlung noch ein kleines Pflänzchen, sagt Renanto Poespodihardjo, leitender Psychologe der Basler UPK. «Aber man muss sehen, dass nur zehn Prozent der Leute, die von einer Verhaltenssucht betroffen sind, Hilfe aufsuchen. Auch sind viele Fachärzte noch nicht genügend informiert über Therapiemöglichkeiten.»

Nicht jeder ist süchtig

Egal, ob morgens auf dem Perron, mittags in der Kantine oderabends auf dem Sofa: Jeder hat ein Smartphone in der Hand. Und doch ist darum nicht gleich jeder handysüchtig.

Franz Eidenbenz vom Zentrum für Spielsucht und andere Verhaltenssüchte: «Die Abhängigkeit vom Handy ist heute die Realität und noch keine Krankheit.» Man brauche die Geräte, um zu arbeiten und soziale Kontakte zu pflegen.

Erst wenn der Handykonsum wichtiger wird als Beziehungen oder Verpflichtungen und wenn er trotz schädigender Folgen fortgeführt wird, könne man von Sucht sprechen – wenn man etwa, um am Handy sein zu können, das Essen vergisst, seine Freunde nicht mehr trifft oder zu wenig schläft.

Wenn man das Internet betrachtet, wird die Lage klarer: Etwa ein Prozent der Schweizer Bevölkerung ab 15 Jahren fällt in die Kategorie der problematischen Nutzer. Das entspricht rund 70'000 Personen, Tendenz steigend. Betroffene gibt es in jeder Altersgruppe, gehäuft jedoch zwischen 13 und 25 Jahren.

Psychotherapeut Eidenbenz: «Das hat auch mit dem Hirn zu tun. Jugendliche sind stärker gefährdet, weil das Frontalhirn, das für die Selbststeuerung zuständig ist, noch in der Entwicklung ist.» Junge Männer seien am häufigsten abhängig von Online-Games, Frauen von Social Media. «Oft haben Betroffene das Gefühl, dass sie ihre Freundschaften rege pflegen und die Freizeit am Puls der Zeit verbringen, obwohl sie reale Kontakte vernachlässigen.»

Instagram, Youtube, Porno

Meist seien es Eltern oder Partner, die Handlungsbedarf sehen. Eine Therapie am Zentrum für Spielsucht und andere Verhaltenssüchte dauert zwei Monate bis zwei Jahre. «Zuerst analysieren wir, von welchen Inhalten die Person abhängig ist», so Eidenbenz. Bei manchen seien es die Likes auf Instagram, bei anderen Computerspiele, Youtube oder Pornofilme.

Im zweiten Schritt wird Selbstkontrolle gelernt und anhand von Apps überprüft. Ganz wichtig sei der Einbezug von Angehörigen, um Konflikte und Regeln zu besprechen. Eidenbenz: «Die Hilfe von realen Menschen ist der beste Weg, um aus der Sucht der virtuellen Welt wieder zu Freuden im echten Leben zu finden.»

Eltern seien angehalten, Kindern das Handy vorm Zubettgehen abzunehmen oder die Nutzung zu begrenzen. Partner sollten schauen, dass es beim Zmittag weggelegt wird. Erst so realisierten viele, dass ihr Verhalten problematisch ist.

Es sind Menschen wie jene auf dem Perron, in der Kantine und auf dem Sofa, die durch Handysucht gefährdet sind. Es sind aber auch dieselben Menschen, die Betroffene wieder in die wirkliche Welt zurückführen können.

Sind Sie handysüchtig?

Unser Selbsttest zeigt, ob Sie sich Sorgen machen müssen. Wenn Sie acht der folgenden Fragen mit Ja beantworten, besteht das Risiko, dass Sie durch Handynutzung zu stark beeinflusst oder vereinnahmt werden.

1) Ich verbringe oft mehr Zeit am Handy, als ich eigentlich will.

2) Wenn ich das Handy nicht dabeihabe, fehlt es mir.

3) Wichtige Menschen in meinem Umfeld beschweren sich, dass ich zu viel Zeit am Handy verbringe.

4) Wegen meiner Handynutzung unternehme ich weniger mit anderen Menschen als auch schon.

5) Ich habe schon mehrmals vergeblich versucht, weniger Zeit am Handy zu verbringen.

6) Meine Leistungen in Schule oder Beruf leiden unter meiner Handynutzung.

7) Wenn ich traurig, einsam, wütend oder gereizt bin, mache ich etwas am Handy, um mich abzulenken.

8) Ich vernachlässige oft meine Pflichten, um mehr Zeit am Handy verbringen zu können.

9) Wenn ich längere Zeit nicht aufs Handy schauen kann, werde ich unruhig und nervös.

10) Ich muss immer häufiger oder länger am Handy sein, um mich wieder gut oder entspannt zu fühlen.

11) Es fällt mir schwer, anderen ehrlich zu sagen, wie viel Zeit ich am Handy verbringe.

Achtung: Selbsttests geben nur Hinweise. Ob jemand süchtig ist oder nicht, kann nicht ausschliesslich mit diesem Test beurteilt werden. Im Gespräch mit einer Ärztin oder einem Psychologen können eine Diagnose gestellt und mögliche Wege für das weitere Vorgehen aufgezeigt werden.

Quelle: Suchtpräven­tion im Kanton Zürich in Zusammenarbeit mit Franz Eidenbenz

Ein Leben ohne Smartphone ist für Jugendliche heutzutage nicht mehr vorstellbar. Aber auch ältere Generationen können darauf nicht mehr verzichten, wie Zahlen einer neuen Erhebung zeigen. (Symbolbild)
Ein Leben ohne Smartphone ist für Jugendliche heutzutage nicht mehr vorstellbar. Aber auch ältere Generationen können darauf nicht mehr verzichten, wie Zahlen einer neuen Erhebung zeigen. (Symbolbild)
Keystone/CHRISTIAN BEUTLER

Unser Selbsttest zeigt, ob Sie sich Sorgen machen müssen. Wenn Sie acht der folgenden Fragen mit Ja beantworten, besteht das Risiko, dass Sie durch Handynutzung zu stark beeinflusst oder vereinnahmt werden.

1) Ich verbringe oft mehr Zeit am Handy, als ich eigentlich will.

2) Wenn ich das Handy nicht dabeihabe, fehlt es mir.

3) Wichtige Menschen in meinem Umfeld beschweren sich, dass ich zu viel Zeit am Handy verbringe.

4) Wegen meiner Handynutzung unternehme ich weniger mit anderen Menschen als auch schon.

5) Ich habe schon mehrmals vergeblich versucht, weniger Zeit am Handy zu verbringen.

6) Meine Leistungen in Schule oder Beruf leiden unter meiner Handynutzung.

7) Wenn ich traurig, einsam, wütend oder gereizt bin, mache ich etwas am Handy, um mich abzulenken.

8) Ich vernachlässige oft meine Pflichten, um mehr Zeit am Handy verbringen zu können.

9) Wenn ich längere Zeit nicht aufs Handy schauen kann, werde ich unruhig und nervös.

10) Ich muss immer häufiger oder länger am Handy sein, um mich wieder gut oder entspannt zu fühlen.

11) Es fällt mir schwer, anderen ehrlich zu sagen, wie viel Zeit ich am Handy verbringe.

Achtung: Selbsttests geben nur Hinweise. Ob jemand süchtig ist oder nicht, kann nicht ausschliesslich mit diesem Test beurteilt werden. Im Gespräch mit einer Ärztin oder einem Psychologen können eine Diagnose gestellt und mögliche Wege für das weitere Vorgehen aufgezeigt werden.

Quelle: Suchtpräven­tion im Kanton Zürich in Zusammenarbeit mit Franz Eidenbenz

So befreien Sie sich aus den Fängen des Handys

Mit diesen Tipps und Tricks weisen Sie das Handy in die Schranken.

1. Führen Sie sich den «Schaden» klar vor Augen! Messen Sie, wie lange Sie am Telefon sind, wie lange Sie welche App benutzen. Entweder mit der Stoppuhr oder einfacher mit elektronischer Hilfe, etwa «Bildschirmzeit».

2. Keine Farben, nur noch grau: Machen Sie Ihr Handy langweilig. Sie können bei den Telefoneinstellungen alle Farben entfernen. Surfen ist dann weniger aufregend, die Fotos vom Poser auf Facebook nicht mehr so attraktiv und der Foodporn nicht mehr so beneidenswert. Alles wird langweiliger, so kommen Sie weniger in Versuchung. So gehts beim iPhone: Einstellungen/Allgemein/Bedienungshilfen/Display-Anpassungen/ Farbfilter «Ein». 

3. Schaffen Sie handyfreie Zeiten: In der Nacht das ­Handy nicht ins Schlafzimmer mitnehmen – falls nötig, kaufen Sie sich einen Wecker. Beim Essen das Handy auf stumm stellen. Das Gleiche gilt auch auf Spaziergängen und Wanderungen. Lassen Sie das Handy auch einfach mal zu Hause.

4. Das Handy mal extra für eine Stunde ausstellen. Damit Sie wieder merken, dass die Welt ohne Handy keineswegs untergeht.

5. News gibt es auch am Kiosk: meist sogar gut recherchierte und journalistisch hochwertige Artikel. (Harry Büsser)

Mit diesen Tipps und Tricks weisen Sie das Handy in die Schranken.

1. Führen Sie sich den «Schaden» klar vor Augen! Messen Sie, wie lange Sie am Telefon sind, wie lange Sie welche App benutzen. Entweder mit der Stoppuhr oder einfacher mit elektronischer Hilfe, etwa «Bildschirmzeit».

2. Keine Farben, nur noch grau: Machen Sie Ihr Handy langweilig. Sie können bei den Telefoneinstellungen alle Farben entfernen. Surfen ist dann weniger aufregend, die Fotos vom Poser auf Facebook nicht mehr so attraktiv und der Foodporn nicht mehr so beneidenswert. Alles wird langweiliger, so kommen Sie weniger in Versuchung. So gehts beim iPhone: Einstellungen/Allgemein/Bedienungshilfen/Display-Anpassungen/ Farbfilter «Ein». 

3. Schaffen Sie handyfreie Zeiten: In der Nacht das ­Handy nicht ins Schlafzimmer mitnehmen – falls nötig, kaufen Sie sich einen Wecker. Beim Essen das Handy auf stumm stellen. Das Gleiche gilt auch auf Spaziergängen und Wanderungen. Lassen Sie das Handy auch einfach mal zu Hause.

4. Das Handy mal extra für eine Stunde ausstellen. Damit Sie wieder merken, dass die Welt ohne Handy keineswegs untergeht.

5. News gibt es auch am Kiosk: meist sogar gut recherchierte und journalistisch hochwertige Artikel. (Harry Büsser)

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