Ab Montag steht in Basel ein mutmasslicher Boss des kolumbianischen Drogenkartells Clan del Golfo vor Gericht. Der spanisch-kolumbianische Doppelbürger Alvaro H.* (47) soll die Basler Niederlassung des berüchtigten Kartells geführt haben – und hat laut Anklage Kokain im Millionenwert in die Schweiz gebracht.
Der Prozess ist eine Seltenheit. In der Vergangenheit tat sich unsere Justiz schwer mit Fällen organisierter Kriminalität, erklärt Journalist Klaus Davi (56). Der Schweizer beschäftigt sich seit Jahren mit internationalen Verbrechergruppen und hat sich auf die Mafia spezialisiert. «Die Schweiz ist beim Kampf gegen internationale Kriminalität nicht auf der Höhe», sagt Davi zu Blick.
Das zeigte sich zum Beispiel 2014. Damals kamen Bilder aus einem Ostschweizer Boccia-Club an die Öffentlichkeit, der zuvor von der Polizei verwanzt worden war. 15 Männer sassen am Tisch, sprachen offen über Drogenhandel. Die Ermittler waren sicher: Es handelt sich um eine Schweizer Zelle der 'Ndrangheta, der kalabrischen Mafia. Sieben Jahre und ein Dutzend Verhaftungen später endete der Fall schliesslich mit Freisprüchen vor einem italienischen Gericht – und einer Schlappe für die Ermittler.
«Die Polizeikorps sind zu wenig divers»
Ein anderer Ermittlerflop passierte in Zürich: Nach einer monatelangen Überwachungsaktion stürmten Hunderte Polizisten 2004 das damalige Clubhaus der Motorrad-Gruppe Hells Angels. Der Vorwurf lautete auch hier auf Bildung einer kriminellen Organisation. Nur: Belegen liess sich davon, auch nach der riesigen Überwachungsaktion, praktisch nichts.
Die Gesetze in der Schweiz sind weniger griffig als im Ausland, erklärt Mafia-Experte Davi. «In Italien, wo ich lebe und arbeite, reicht zum Beispiel die reine Mitgliedschaft bei der Mafia, um sich strafbar zu machen. In der Schweiz ist das nicht so – und das ist ein Fehler.»
Die Schweizer Polizei hat laut Davi blinde Flecken bei der Verbrecherjagd. «Die Polizeikorps sind zu wenig divers.» Konkret: «Wie soll die Polizei gegen eine organisierte Verbrechergruppe aus Nigeria vorgehen, wenn im Korps niemand deren Sprache spricht oder die Kultur versteht?»
Mafiosi bleiben unter dem Radar
In der breiten Bevölkerung herrsche ein falsches Bild darüber, was organisierte Kriminalität bedeutet: «Viele Leute haben noch ein Mafia-Bild aus den 40er-Jahren im Kopf, wo Verbrecher sofort auf alles schiessen. Heute tragen sie Krawatte, kümmern sich um Dinge wie Geldwäsche – und bleiben darum unter dem Radar.»
Dazu komme: Das organisierte Verbrechen läuft grenzüberschreitend. Heisst, auch die Verbrecherjäger müssen international aktiv sein. In der Realität funktioniere das oft nicht reibungslos. Davi zu Blick: «Kartelle sind global besser vernetzt als die Justiz. Es reicht nicht, einfach ein Rechtshilfegesuch zu verschicken und auf ein Wunder zu hoffen.» Und gerade mit den Niederlanden, in deren Häfen tonnenweise Drogen anlanden, laufe die Schweizer Zusammenarbeit seiner Erfahrung nach nicht sehr gut.
Bande nutze Codewörter für die Drogen
Wie effizient hingegen die Verbrecher grenzüberschreitend zusammenarbeiten, zeigt die Anklageschrift des mutmasslichen Basler Kartell-Chefs Alvaro H. Über ein kompliziertes System von Mittelsmännern soll er Kokain von Südamerika bis nach Basel gebracht haben, per Schiff und Flugzeug.
Dabei habe die Bande Codewörter benutzt: Statt von Drogen sprach man von Zitronen oder Kaffee. Ob Alvaro H. der Schweizer Justiz damit ein Schnippchen schlagen kann, muss sich ab Montag zeigen. Verteidiger Moritz Gall sagt gegenüber Blick: Sein Mandant bestreite alle zentralen Vorwürfe der Anklage.
* Name geändert
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