Zwei Jahre nach der Bergsturz-Katastrophe
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Gondo VS trifft Bondo GR:Zwei Jahre nach der Bergsturz-Katastrophe

Der Gemeindepräsident von Gondo VS stattet Bondo GR einen Besuch ab
Ihr Schicksal vereint sie

Im Herbst 2000 überrollt eine Schlammlawine den Walliser Ort Gondo. Im Sommer 2017 erschüttern Murgänge das Bündner Dorf Bondo. Beide Katastrophen fordern Tote und Millionenschäden. BLICK brachte die Gemeindepräsidenten zusammen und sorgte für ein emotionales Treffen.
Publiziert: 23.08.2019 um 11:27 Uhr
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Aktualisiert: 26.04.2021 um 13:42 Uhr
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Gemeindepräsident Roland Squaratti aus Gondo VS trifft Amtskollegin Anna Giacometti zum Jahrestag des Felssturzes in Bondo. Die Bündner Gemeindepräsidentin zeigt von der neuen Hängebrücke aus, von wo die Murgänge kamen.
Foto: Thomas Meier
Myrte Müller

Ihre Namen sind zum Verwechseln ähnlich. Beide Orte grenzen an Italien. Sie liegen 820 Meter hoch. Und sie haben neben ihren Kirchen einen historischen Turm. Doch was Gondo VS und Bondo GR vor allem verbindet, ist der Schmerz.

Vor 19 Jahren zerstört eine Schlammlawine ein Drittel des Walliser Dorfs Gondo. 13 Menschen sterben, darunter die beiden Brüder des Gemeindepräsidenten. Vor zwei Jahren erreichen mehrere Murgänge die Bündner Ortschaft Bondo. Acht Wanderer werden von einem gigantischen Bergsturz im Val Bondasca erfasst. Ihre Leichen bleiben verschüttet unter 35 Metern Gestein. Bei beiden Katastrophen ist der BLICK von Beginn an dabei und berichtet in Dutzenden von Artikeln.

Zum zweiten Jahrestag des dramatischen Felssturzes vom Piz Cengalo folgt Gondos Gemeindepräsident Roland Squaratti (51) der BLICK-Einladung und besucht seine Amtskollegin Anna Giacometti (58). «Für mich erfüllt sich damit ein lang gehegter Wunsch», sagt Squaratti.

Gondo spendet 20'000 Franken an Bondo

Als am 23. August 2017 in Bondo das Unglück passiert, sitzt Squaratti in seinem Büro. «Meine Tante rief mich in Panik an. Das Radio berichte, Gondo würde von einem Felssturz bedroht. Sie habe schon den Koffer gepackt», erinnert sich der Walliser. «Ich schaute schnell auf Blick.ch nach. Betroffen war Bondo, nicht Gondo. Meine Tante hatte den Namen falsch verstanden.» Seitdem aber habe ihm das Schicksal des Bergeller Dorfs nicht mehr losgelassen. 20'000 Franken spendet die Gemeinde. Aus Solidarität. «Wir wussten zu gut, was Bondo durchmacht.»

Am 21. August 2019 ist es endlich so weit. Um 6 Uhr morgens setzt sich Roland Squaratti ins Auto. Nach fünf Stunden erreicht er Bondo. Im Rathaus von Promontogno GR wartet Amtskollegin Anna Giacometti. Der Handschlag ist lang, der Blick in die Augen warm. Er ist «Roland», sie «Anna». Der Funken springt auf Anhieb über. «Roland war mir sofort sympathisch. Ein Mensch, der trotz schwerem persönlichem Schicksal mit sich selbst im Reinen ist», sagt Anna Giacometti.

Auch Squaratti ist angetan. Er zieht aus der Tasche ein Buch über Gondos Tragödie. Ein Geschenk. Seite für Seite lässt er sein Unglück Revue passieren. Bei den Fotos der 13 Opfer hält er inne. «Diese fünf Personen sassen an einem Tisch beim Kaffee, als die Lawine kam. Niemand überlebte», sagt der Gemeindepräsident von Gondo leise.

«Das du nicht zusammengebrochen bist, ist ein Wunder»

Auch seine beiden Brüder sind abgebildet. «Sie waren als Feuerwehrleute im Einsatz und wurden von der Schlammlawine überrollt.» Die Brüder wurden nie gefunden. «Sie hinterliessen sechs minderjährige Kinder», sagt Gondos Gemeindepräsident. Er selbst entkam nur knapp dem Tod. «Ich war den ganzen Morgen im Rathaus. Zehn Minuten bevor die Lawine kam, hatte ich es verlassen. Gott sei Dank. Denn vom Gemeindehaus blieb nichts übrig.»

«Dass du nicht zusammengebrochen bist, ist ein Wunder», stellt Anna Giacometti bewundernd fest. Roland Squaratti, der damals schon die Gemeinde leitete und dem Krisenstab vorstand, antwortet: «Dazu hatte ich gar keine Zeit.» Die beiden sind sich einig: Ihr Marathon-Einsatz für Rettung, Räumung und Wiederaufbau heilt Wunden. «Allein die vielen Interviews waren die reinste Psychotherapie», sagt Squaratti. Er erinnert sich auch den damaligen Reporter vom BLICK: «Fredy Herren berichtete fast jeden Tag – und das einen ganzen Monat lang.»

Nächstes Jahr trifft Bondo Gondo

Anna Giacometti führt ihren Amtskollegen ihrerseits zu den Narben ihrer Heimat. Die Turnhalle ist noch immer beschädigt, wirkt wie ein Mahnmal der katastrophalen Murgänge. Das Flussbett der Bondasca ist nach wie vor mit Geröll gefüllt. Ein Stein im Friedhof gedenkt der vermissten Wanderer. Giacometti zeigt ihrem Kollegen die Deponie, wo sich 300'000 Kubikmeter Material häuft. «Das wird eine erhöhte Grünfläche sein», sagt Anna Giacometti wie zum Trost. Ein Wasserbauprojekt soll auch bald das Auffangbecken verschönern. «Die Menschen hier blicken nach vorn», so Giacometti hoffnungsvoll.

Die Gefahr jedoch sei noch nicht gebannt. «Der Cengalo lässt uns noch immer keine Ruhe», weiss sie. Doch: «Wir haben ein gutes Frühwarnsystem.» An der neuen Hängebrücke, die zum alten Ortsteil Bondo führt, liegt ein Gästebuch aus. Roland Squaratti schreibt hinein: «Herzliche Grüsse aus Gondo an Bondo. Ihr habt grossartige Arbeit geleistet.» Nächstes Jahr im Oktober jährt sich der Erdrutsch im Wallis zum zwanzigsten Mal. Bei hausgemachten Gnocchi im Restaurant beschliessen die beiden Leidensgenossen: Zur Feier reist Anna Giacometti an. Dann trifft Bondo Gondo.

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