Kolossaler Bergsturz bei Bondo GR. Wie Videoaufnahmen zeigen, ist der Piz Cengalo am Mittwochmorgen förmlich explodiert (BLICK berichtete). Danach donnern tonnenweise Gesteinsmassen ins Tal. Laut dem Amt für Wald und Naturgefahren handelt es sich um den grössten Bergsturz Graubündens in den letzten Jahrzehnten.
Im Val Bondasca walzt der gigantischen Rüfenniedergang Maiensässe und zehn Ställe nieder. Das 204-Einwohner-Dorf Bondo muss evakuiert werden. Mehrere Personen werden aus dem Gefahrengebiet mit Helikoptern in Sicherheit gebracht.
Acht Personen vermisst
Am Donnerstagmorgen folgt dann der nächste Schock für das kleine Dorf: Laut der Polizei werden acht Personen vermisst. Andrea Mittner, Einsatzleiter der Kantonspolizei Graubünden, präzisiert: «Sechs dieser acht Personen wurden von Angehörigen als vermisst gemeldet. Die beiden anderen werden als vermisst vermutet.»
Unter den Vermissten sind zwei Schweizer, zwei Österreicher und vier Deutsche. Einheimische oder Kinder seien nicht dabei. «Es handelt sich um Alpinisten und Wanderer, die in Zweiergruppen unterwegs waren», sagt Mittner.
Vorübergehend sah es zudem so aus, als könnte es noch schlimmer kommen: Eine weitere Gruppe, die zwischenzeitlich als vermisst gemeldet wurde, wurde wohlauf in Italien gefunden.
Die Suche nach den Vermissten wurde in der Nacht auf Donnerstag intensiviert. Dabei kamen ein Helikopter der Schweizer Armee sowie Suchtrupps mit Spürhunden zum Einsatz. Insgesamt 120 Einsatzkräfte sind aufgeboten.
«Oft von Wanderern begangen»
Wurden die Vermissten von den Geröllmassen begraben? «Das betroffene Gebiet wird oft von Wanderern und Bergsteigern begangen», sagt Markus Walser, Sprecher der Kantonspolizei Graubünden zum BLICK. Es habe dort aber möglicherweise nicht überall Handy-Empfang. «Wir hoffen, dass dies der Grund ist, weshalb wir nicht alle im Gebiet vermuteten Personen erreichen konnten.»
Das Dorf Bondo bleibt derweil abgeriegelt. «Die Bewohner dürfen bis Freitag um zehn Uhr nicht zurück in ihre Häuser. Dann gibt es eine Neubeurteilung der Lage», sagt Mittner. Das Dorf und seine Umgebung werden bewacht. Die Kantonsstrasse bleibt ebenfalls geschlossen.
Insgesamt haben sich am Mittwoch laut dem Amt für Wald und Naturgefahren vier Millionen Kubikmeter Gestein gelöst. Der erste Abbruch habe ein Beben der Stärke drei auf der Richterskala ausgelöst. «Man kann sich vorstellen, was es da für Kräfte braucht, um ein solches Erdbebenszenario auszulösen», ergänzt Mittner.
Und die Lage bleibt brenzlig. Laut den Behörden könnte es zu weiteren Bergstürzen kommen. Noch immer seien eine Million Kubikmeter des Piz Cengalo in Bewegung – deshalb könne auch noch niemand zurück.
Nah am Gefahrengebiet befinden sich auch die beiden SAC-Hütten Sciora und Sasc Furä. «Die Personen, die dort nicht bleiben wollten, haben wir deshalb evakuiert», sagt Polizeisprecher Walser. Einige Personen befänden sich aber nach wie vor dort. Sie sollen aber noch heute Abend mit einem Helikopter ins Tal geflogen werden. (noo/gr)