Der doppelte Lewinsky
Wenn der Vater mit dem Sohne

Lewinsky hoch zwei: Charles (76) und Micha (49) veröffentlichen am selben Tag im gleichen Verlag je ein eigenes Buch. Reiner Zufall oder kalkulierte Absicht?
Publiziert: 27.08.2022 um 16:03 Uhr
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Aktualisiert: 29.08.2022 um 10:17 Uhr
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Über den unehelichen Sohn des französischen Bürgerkönigs Louis-Philippe I …
Daniel Arnet

Das ist seltener als ein Sechser im Lotto: Vater und Sohn veröffentlichen am selben Tag im gleichen Verlag ein Buch – kein Gemeinschaftswerk, sondern jeder für sich ein eigenes. Damit nicht genug: Der Roman des Vaters heisst ausgerechnet «Sein Sohn»; und sein Sohn schreibt über eine Familie, der der Vater abhandenkommt. Eine kuriose Konstellation!

So geschehen hierzulande am letzten Mittwoch: Der Zürcher Diogenes-Verlag brachte den neuen Roman «Sein Sohn» des Schweizer Bestsellerautors Charles Lewinsky (76, «Melnitz») und das erste Jugendbuch «Holly im Himmel» von Filmregisseur Micha Lewinsky (49, «Moskau Einfach») in den Buchhandel.

Kein Marketing-Gag

Charles Lewinsky ist seit seinem Wechsel von Nagel & Kimche im Jahr 2018 ein sicherer Wert für Diogenes: Sowohl mit «Der Stotterer» (2019) wie auch mit «Der Halbbart» (2020) erreichte er Platz eins der Schweizer Buchcharts. Da möchte man meinen, dass der erfolgreiche Papa dem debütierenden Junior nachhalf.

Dem ist nicht so. «Wenn Vater und Sohn einen ähnlichen Beruf haben, ist es wichtig, sich beim anderen nicht einzumischen», sagt Lewinsky senior. «Mit der Tatsache, dass Diogenes ‹Holly im Himmel› angenommen hat, habe ich deshalb überhaupt nichts zu tun.» Die Entscheidung scheine dort nur aufgrund der Qualität des Buches gefallen zu sein.

Das bestätigt der Verlag: Charles Lewinsky habe keinerlei Einfluss genommen auf das Buch seines Sohns, sagt Ruth Geiger, Leiterin der Presseabteilung bei Diogenes. «Dass nun die beiden Bücher zur gleichen Zeit erscheinen, ist reiner Zufall», sagt sie. Es ist also kein Marketing-Gag, um die Titel gegenseitig zu pushen.

«Sein Sohn» handelt denn auch nicht von Micha Lewinsky, sondern von Louis Chabos: Vom Sohn, den der spätere französische Bürgerkönig Louis-Philippe I (1773–1850) mit einer italienischen Köchin in Reichenau GR gezeugt hatte, ist historisch verbürgt, dass er im Dezember 1794 zur Welt kam und danach in einem Mailänder Waisenhaus aufwuchs.

Ein Lewinsky für Grosseltern und Enkelin

Charles Lewinsky entspinnt nun die spannende Geschichte, wie sich der Sohn nach dem Russlandfeldzug mit Napoleon (1769–1821) auf die Suche nach seinem unbekannten Vater macht. Er findet ihn, und der Roman ist ein Volltreffer. Trotzdem sagt Charles Lewinsky: «Dass ‹Holly im Himmel› in diesen Tagen erscheint, freut mich fast mehr als mein eigener Roman – so sind Väter nun mal.»

«Holly im Himmel» ist die traurig-fantastische Geschichte des Mädchens Holly, das seine Mutter hasst, weil sie sich vom Vater trennte und einen neuen Freund hat. «Aber Schatz, wir sind doch trotzdem eine Familie», sagt die Mutter. Doch Holly läuft ihr davon – direkt vor einen Lastwagen und stirbt. Doch im Himmel erlebt sie viele Abenteuer, und es gibt ein Wiedersehen mit der Mutter.

Himmelfahrtskommando oder historische Schnitzeljagd: Diesen Herbst gibt es einen Lewinsky für Jung und Alt. «Dass wir beide bei Diogenes erscheinen, finde ich sehr schön», sagt Micha Lewinsky. «Nun können Enkelin und Grosseltern gleichzeitig den neuesten Lewinsky lesen.»

Auch wenn die Lewinskys zwei ganz unterschiedliche Bücher veröffentlicht haben, werden sie zumindest einmal eine gemeinsame Lesung geben – und zwar Ende Oktober im Rahmen der Veranstaltungsreihe «Zürich liest».

Charles Lewinsky, «Sein Sohn», Diogenes

Micha Lewinsky, Holly im Himmel», Diogenes

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