«Das ist Ruhestörung»
Anwohnerin kämpft in Diessenhofen gegen Glockenlärm

Madeleine Felber (64) ärgert sich. Die Glocke der Stadtkirche sei so laut, dass sie nicht schlafen könne. Jetzt sucht die pensionierte Malerin Einwohner, die sich ebenfalls daran stören, um der «penetranten» Kirche den Kampf anzusagen.
Publiziert: 27.08.2021 um 18:29 Uhr
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Aktualisiert: 28.08.2021 um 11:03 Uhr
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Die Stadtkirche von Diessenhofen stellt für Madeleine Felber (64) ein Ärgernis dar.
Foto: Screenshot Google Maps

Schmale Gassen und hohe Häuser prägen die Altstadt von Diessenhofen TG. Die Gemeinde am Rheinufer ist idyllisch und ruhig – wäre da nur nicht das Glockenläuten der Stadtkirche. Die Einwohnerin Madeleine Felber (64) ärgert sich darüber, wie die «Schaffhauser Nachrichten» berichteten.

Vergangene Woche schrieb die 64-Jährige einen Leserbrief, um herausfinden, wie viele Einwohner sich ebenfalls am Glockengeläut der Stadtkirche stören. Jetzt hofft Felber, dass sie Rückmeldungen und Unterstützung bei ihrem Vorstoss bekommt.

Ihr Ziel? «Dass das morgendliche Frühgeläut der Diessenhofer Stadtkirche um 6 Uhr abgestellt und der nächtliche Zeitschlag zwischen 22 und 7 Uhr einem humanen Nachtruhegesetz angepasst wird», schreibt Felder im Leserbrief.

«Andere haben es noch schlimmer als ich»

Die pensionierte Malerin wohnt ein paar Häuser neben der Kirche. Die Glockenschläge, die nachts durch das Städtchen hallen, empfindet Felber als Ruhestörung. «Wir haben in der Nacht ein Recht auf Ruhe», sagt sie zu Blick. «Ein tiefer, erholsamer Schlaf ist in der heutigen Zeit extrem wichtig.»

Die Malerin lebt seit 15 Jahren in Diessenhofen. Das «penetrante» Glockenläuten sei ihr im Lockdown besonders stark aufgefallen. «Wenn man so viel Zeit zu Hause verbringt, achtet man sich plötzlich auf Dinge, die einem sonst entgehen», sagt Felber.

Sie hat bereits mit Leuten gesprochen, die direkt neben der Kirche wohnen. «Eine Nachbarin kann wegen des Glockenlärms nur noch mit Ohrstöpseln schlafen», sagt die 64-Jährige.

Persönlicher Frieden gegen Kulturgut

Mit der Kirche hat Felber keinen Kontakt aufgenommen. «Ich wusste nicht, an wen ich mich mit meinem Anliegen wenden soll», sagt sie. In einer Stellungnahme schreibt die Kirchengemeinde, dass sie an ihrer Tradition festhalten wolle, wie die «Schaffhauser Nachrichten» schreiben. Der Uhrschlag sei für die einen der Stein des Anstosses, für die anderen ein hohes Kulturgut.

Der Pfarrer von Diessenhofen, Gottfried Spieth, schreibt in der Stellungnahme: «Eine öffentliche Zeitansage verbindet, stärkt die Zusammengehörigkeit. Wir sind nicht allein, sondern eingebettet in etwas Grösseres und Ganzes.» Und weiter: «Unsere Kinder und Enkel werden es uns noch danken, wenn wir es schaffen, dieses Erbe zu bewahren und sensibel weiterzuentwickeln.»

Wo die Glocken nachts ruhen

Hoffnung, dass Felber mit ihrem Vorstoss etwas erreicht, geben ihr die Gemeinden Kreuzlingen und Steckborn im Thurgau. Diese konnten die Nachtruhe bereits durchsetzen: Seit 2018 bleiben die Glocken zum Viertelstunden-Schlag stumm und das Morgenläuten wurde von 6 auf 7 Uhr verschoben.

Mit ihrem öffentlichen Aufruf will Felber ein Gespräch in Gang bringen – und im besten Fall wieder ihren Frieden zurückbekommen. Sie sagt: «Ruhe ist ein kostbares Gut.» (gin)


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