Das grosse Schlamassel nach der Hof-Räumung
Das sind die Tierschutz-Versager

Ulrich K. wurde aus dem Verkehr gezogen. Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren – und noch immer tauchen neue Tiere aus seinen Verstecken auf.
Publiziert: 09.08.2017 um 23:51 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 15:44 Uhr
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Andreas Diethelm sagt nie etwas, Paul Witzig ist der Uneinsichtige und Walter Schönholzer wollte von nichts hören.
Foto: Igor Kravarik
Marco Latzer

Jahrelang hat Ulrich K. Dutzende von Pferden auf seinem Hof im Kanton Thurgau unter grausamen Bedingungen gehalten. Immer wieder gab es Hinweise darauf – doch die Behörden ignorierten sie einfach. Regierungsrat Walter Schönholzer (51) wurde von K. vorgeführt wie ein Anfänger. Kantonstierarzt Paul Witzig (62) leugnet die Missstände bis heute. Und Andreas Diethelm (47), Gemeindepräsident von Hefenhofen, sah ebenfalls weg. Jetzt erhalten sie die Quittung. Erste Anzeigen sind bereits eingegangen.

Die ersten Pferde sind in Sicherheit
1:01
Kompetenzzentrum der Armee für Tiere:Die ersten Pferde sind in Sicherheit

Ulrich K.* (49) ist keine Gefahr mehr für seine Tiere. Die Behörden haben ihm eine fürsorgerische Unterbringung in der Klinik von Münsterlingen TG aufgebrummt. Dort liest er laut BLICK-Informationen mit grossem Interesse die Schlagzeilen zu seinem Fall – und dem Scherbenhaufen, den seine Quäl-Zucht hinterlässt. Wegen ihm sind die Thurgauer Behörden unter vehementen Beschuss gekommen.

Hunderte Tiere über die ganze Ostschweiz verteilt

Unbehelligt schob K. seine Tiere zwischen mehreren Kantonen hin und her. Die meisten von ihnen dürfte er ab Mitte Juni zur Alpsömmerung an abgelegenen Orten abgestellt haben. Alleine im Kanton Graubünden sind laut dem stellvertretenden Kantonstierarzt Giochen Bearth knapp 100 Tiere betroffen. Den Behörden liegt eine umfassende Liste vor. Einen Grossteil machen Pferde aus, aber auch einige Rinder wurden gefunden. Betroffen sind neben dem Thurgau auch St. Gallen und die beiden Appenzell.

Pferde-Datenbank sagt: K. hatte 141 Pferde!

Diese Funde werfen Fragen auf: Ulrich K. waren laut einem rechtskräftigen Teiltierhalteverbot nur 60 Pferde erlaubt. Schon bei der Hofräumung fanden die Veterinäre aber 93 Pferde vor. Einige davon dürften von anderen Besitzern bei ihm eingestellt gewesen sein. Bloss: Laut gesicherten BLICK-Informationen aus der Datenbank Agate waren zuletzt 141 Pferde auf K. eingetragen. Mehr als das Doppelte des eigentlich Erlaubten!

Das Veterinäramt schaute aus der Ferne zu

Wie kann das sein? Klar ist, dass sich Kantonstierarzt Paul Witzig (62) schon lange nicht mehr auf den Hof traute. Einst hatte ihn K. mit einer Spielzeugwaffe an Leib und Leben bedroht. Zuletzt überprüften den Züchter deshalb nur noch Kontrolleure von auswärts. Hintergrund soll eine Abmachung zwischen Veterinäramt und Ulrich K. sein: Die Behörden verzichteten diesen Januar auf die Umsetzung eines absoluten Tierhalteverbots. K. sollte im Gegenzug kooperativer werden. Regierungsrat Walter Schönholzer (51) bezeichnet das Vorgehen als «eine Verhandlungsstrategie für Verbesserungen in kleinen Schritten».

Vom Brutalo zum Unschuldslamm

Tatsächlich verhielt sich K. bei den Kontrollen nun viel freundlicher. Da sich die externen Experten Tage im Voraus anzumelden hatten, drohten ihm keine schlimmen Konsequenzen. K. band den Behörden so seine eigenen Spielregeln auf. Ein fataler Fehler. Dies gibt auch der Regierungsrat zu: «Im Nachhinein war diese Strategie nicht erfolgreich, weil der Tierhalter diese Bemühungen offensichtlich hintertrieben hat.» 

K. freute sich über die Abmachung mit Schönholzer

Für Schönholzer und sein Entgegenkommen hatte Ulrich K. deshalb bei BLICK-Recherchen im Februar lobende Worte übrig. Er freute sich, dass «ein Mann im Amt ist, der endlich einmal so spurt, wie es sein sollte!» Weniger Trubel bei den Kontrollen bedeutete für ihn auch weniger Ärger beim Kampf um Subventionsgelder. Seit Jahren streitet der Bauer um die begehrten Steuerfranken. Ulrich K. damals: «Bei mir treffen die Direktzahlungen immer im Nachhinein ein. Das gibt mir die Möglichkeit, auf Reduktionen flexibel zu reagieren!»

Kampf um Direktzahlungen

Welche Summen öffentlicher Gelder tatsächlich in die Taschen eines mehrfach verurteilten Tierquälers geflossen sind, bleibt vorerst unklar. Eine Sprecherin des Bundesamts für Landwirtschaft fordert Zeit: «Wir prüfen das momentan. Der Fall ist äusserst komplex!» Es geht um viel: Für das Jahr 2013 machte K. gemäss einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ursprünglich 145'420 Franken und 75 Rappen als Direktzahlungen geltend! Später soll dieser Betrag angeblich reduziert worden sein. Der Bund will nun aufzeigen, wann welche Beträge geflossen sind.

Der Druck steigt weiter

Der Widerstand gegen die Thurgauer Behörden wird wegen den Ungereimtheiten immer grösser. 14'000 Unterschriften hat alleine der Verein Brennpunkt Schweiz gesammelt. Jetzt fordert dieser, dass die offenen Fragen lückenlos aufgedeckt werden. Genauso der Verein gegen Tierfabriken. Deren Präsident Erwin Kessler (73) hat Chef-Veterinär Paul Witzig gar angezeigt (siehe Box).

*Name der Redaktion bekannt 

Sie sagten nichts, sie sahen nichts, sie hörten nichts

Andreas Diethelm

Das Büro von Andreas Diethelm (47) liegt schräg gegenüber vom ­Quäl-Hof. Trotz der wenigen Meter Distanz will der Gemeindepräsident die Quälereien all die Jahre nicht mitbekommen haben. Die beiden ­Männer haben eine Vorgeschichte: Einst drückten sie zusammen die Schulbank. Man kennt sich seit Kindheitstagen. Zu BLICK sagt Diethelm letzte Woche: «Ich habe mit Herrn K. ein gutes Einvernehmen und kann den Hof jederzeit besuchen.» Manche Einheimische nennen das schlicht Freundschaft. Diethelm will in seiner fünfjährigen Amtszeit «nur ein oder zwei Hinweise» auf die Quälereien erhalten haben. Bei Recherchen von BLICK Ende Mai kam der Verdacht auf, dass er K. gewarnt haben könnte. Erhärten liess sich dies allerdings nicht. Bei ihm herrscht nun Funkstille. «Ich gebe in dieser Sache vorerst keine weiteren Statements mehr ab!», sagte er BLICK.

Paul Witzig

Kantonstierarzt Paul Witzig (62) will selbst im ganzen Mammut-Fall keine Fehler gemacht haben. Oder er sieht sie nicht ein. Auf eine entsprechende Frage antwortete er nach langem Zögern mit Nein. Trotz mehreren einschlägigen Verurteilungen von Ulrich K. scheiterte er kläglich an der Aufgabe, diesem die Tiere wegzunehmen. Nicht einmal die Umsetzung des letztlich ausgesprochenen Teil- Tierhalteverbots klappte. Weil Witzig letzte Woche noch in den Ferien weilte, musste die Beschlagnahmung der leidenden Tiere verschoben werden. Als endlich doch geräumt wird, färbt der Veterinär alles schön: Er habe «kein akutes Tierleid» angetroffen. Sekunden später sagt er, dass doch Tiere eingeschläfert werden mussten. Will Witzig mit Schönfärbereien seinen Kragen retten? Tierschützer Erwin Kessler (73) hat ihn nun wegen Amtsmissbrauch angezeigt.

Walter Schönholzer

Regierungsrat Walter Schönholzer (51) erbte den Fall von seinem Vorgänger. Und setzte im Umgang mit Ulrich K. auf faule Kompromisse. Unter der Verantwortung des FDP-Magistraten wurde auf die rechtliche Umsetzung des schon 2014 ausgesprochenen absoluten Tierhalteverbots gegen K. verzichtet. Eine verheerende Fehleinschätzung! Ausserdem winkte er durch, dass der Pferdezüchter nur noch von externen Kontrolleuren geprüft wird. «Ich konnte diese Besuche meinem Personal nicht zumuten.» Pikant: Die Kontrollen fanden stets nach mehrtägiger Voranmeldung statt. Wertvolle Zeit, in der K. tote Tiere verschwinden lassen konnte. Nach Bekanntwerden der Schock-Bilder am letzten Donnerstag sprach sich Schönholzer aus gegen eine Schliessung des Betriebs: «Den Hof dichtmachen? Dies würde für viele der Tiere den Tod bedeuten, denn eine kurzfristige Unterbringung wäre gar nicht möglich.» Schon tags darauf will der Regierungsrat doch den definitiven Entschluss zum Eingreifen gefällt haben.

Andreas Diethelm

Das Büro von Andreas Diethelm (47) liegt schräg gegenüber vom ­Quäl-Hof. Trotz der wenigen Meter Distanz will der Gemeindepräsident die Quälereien all die Jahre nicht mitbekommen haben. Die beiden ­Männer haben eine Vorgeschichte: Einst drückten sie zusammen die Schulbank. Man kennt sich seit Kindheitstagen. Zu BLICK sagt Diethelm letzte Woche: «Ich habe mit Herrn K. ein gutes Einvernehmen und kann den Hof jederzeit besuchen.» Manche Einheimische nennen das schlicht Freundschaft. Diethelm will in seiner fünfjährigen Amtszeit «nur ein oder zwei Hinweise» auf die Quälereien erhalten haben. Bei Recherchen von BLICK Ende Mai kam der Verdacht auf, dass er K. gewarnt haben könnte. Erhärten liess sich dies allerdings nicht. Bei ihm herrscht nun Funkstille. «Ich gebe in dieser Sache vorerst keine weiteren Statements mehr ab!», sagte er BLICK.

Paul Witzig

Kantonstierarzt Paul Witzig (62) will selbst im ganzen Mammut-Fall keine Fehler gemacht haben. Oder er sieht sie nicht ein. Auf eine entsprechende Frage antwortete er nach langem Zögern mit Nein. Trotz mehreren einschlägigen Verurteilungen von Ulrich K. scheiterte er kläglich an der Aufgabe, diesem die Tiere wegzunehmen. Nicht einmal die Umsetzung des letztlich ausgesprochenen Teil- Tierhalteverbots klappte. Weil Witzig letzte Woche noch in den Ferien weilte, musste die Beschlagnahmung der leidenden Tiere verschoben werden. Als endlich doch geräumt wird, färbt der Veterinär alles schön: Er habe «kein akutes Tierleid» angetroffen. Sekunden später sagt er, dass doch Tiere eingeschläfert werden mussten. Will Witzig mit Schönfärbereien seinen Kragen retten? Tierschützer Erwin Kessler (73) hat ihn nun wegen Amtsmissbrauch angezeigt.

Walter Schönholzer

Regierungsrat Walter Schönholzer (51) erbte den Fall von seinem Vorgänger. Und setzte im Umgang mit Ulrich K. auf faule Kompromisse. Unter der Verantwortung des FDP-Magistraten wurde auf die rechtliche Umsetzung des schon 2014 ausgesprochenen absoluten Tierhalteverbots gegen K. verzichtet. Eine verheerende Fehleinschätzung! Ausserdem winkte er durch, dass der Pferdezüchter nur noch von externen Kontrolleuren geprüft wird. «Ich konnte diese Besuche meinem Personal nicht zumuten.» Pikant: Die Kontrollen fanden stets nach mehrtägiger Voranmeldung statt. Wertvolle Zeit, in der K. tote Tiere verschwinden lassen konnte. Nach Bekanntwerden der Schock-Bilder am letzten Donnerstag sprach sich Schönholzer aus gegen eine Schliessung des Betriebs: «Den Hof dichtmachen? Dies würde für viele der Tiere den Tod bedeuten, denn eine kurzfristige Unterbringung wäre gar nicht möglich.» Schon tags darauf will der Regierungsrat doch den definitiven Entschluss zum Eingreifen gefällt haben.

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