Die Impfhoffnung der Welt liegt auf einem Industrieareal in Bern-Bümpliz. Heruntergekommene Mietwohnungen, verlassene Spielplätze, Zäune: Wenig deutet am Rande der Schweizer Hauptstadt darauf hin, dass in dieser Gegend jenes Serum entsteht, das Experten mitunter als «Game-Changer» in der Corona-Pandemie bezeichnen.
Ausgetüftelt wurde es im Berner Labor von Janssen Vaccines, einer Tochterfirma des US-Pharmariesen Johnson & Johnson. Die Virenjäger von Bümpliz haben 2015 bereits einen Ebola-Impfstoff entwickelt, ihr neustes Präparat soll nun mithelfen, Covid-19 zu besiegen.
Das Vakzin schützt in 85 Prozent der Fälle vor schweren Erkrankungen
Ad26.COV2.S heisst das Mittel der Hoffnung, ein Vektor-Impfstoff, bei dem ein Erkältungsvirus genetisch so verändert wird, dass es sich nicht mehr vermehren kann. Dann wird es mit Fragmenten von Sars-CoV-2 kombiniert, um den Körper zur Herstellung von Antikörpern anzuregen.
Am Freitag informierte Johnson & Johnson über die Zwischenergebnisse der Phase-III-Studie mit 44 000 Probanden. Demnach schützt das Vakzin in 85 Prozent der Fälle vor schweren Erkrankungen, Krankenhausaufenthalte und tödliche Verläufe können laut dem Hersteller gar zu 100 Prozent vermieden werden.
Damit ist das neue Präparat zwar etwas weniger wirksam als die mRNA-Impfstoffe von Biontech und Moderna, die zu 95 Prozent vor einer Corona-Erkrankung schützen. Das Vakzin aus Bern hat allerdings drei entscheidende Vorteile.
Es ist deutlich billiger, einfacher zu handhaben und vor allem: Im Gegensatz zu allen anderen Covid-Impfungen reicht eine Dosis pro Person. Die zweite Spritze entfällt. Zum Segen könnte der Janssen-Impfstoff insbesondere für Entwicklungsländer werden. Einerseits dank des vergleichsweise tiefen Preises, andererseits weil er bei normalen Kühlschranktemperaturen gelagert werden kann – und das monatelang. Dadurch wird die Logistik erheblich vereinfacht.
Johnson & Johnson verhandelt mit Schweizer Behörden
Auch die Schweiz würde davon profitieren. Endlich könnten Hausärzte und Apotheken für Massenimpfungen eingespannt werden. Das Problem ist: Der Bund hat mit Johnson & Johnson bisher keinen Vertrag abgeschlossen – trotz Standortvorteil.
EU und USA hingegen haben sich längst Millionen Dosen gesichert. Deutschland allein hat 38 Millionen bestellt. Läuft alles wie geplant, könnte damit fast die Hälfte der Menschen im Land geimpft werden.
Hinter den Kulissen verhandelt die Schweiz seit Monaten mit dem US-Konzern. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) will sich dazu nicht äussern. Thomas Moser, Firmensprecher von Johnson & Johnson in der Schweiz, sagt einzig: «Ich kann bestätigen, dass wir mit den Schweizer Behörden verhandeln.»
Eine Milliarde Dosen bis Ende Jahr
Die Zeit drängt. Ein Zulassungsgesuch für den Impfstoff liegt bei Swissmedic längst auf dem Tisch. Die Studienresultate werden laufend begutachtet. Schon in den nächsten Tagen könnte die Schweizer Heilmittelbehörde grünes Licht geben.
Johnson & Johnson ist derweil dabei, seine Produktionskapazitäten weltweit auszubauen. Erklärtes Ziel ist es, bis Ende Jahr eine Milliarde Dosen des Impfstoffs bereitzustellen.
Etwas könnte den Virenjägern aus Bümpliz allerdings noch einen Strich durch die Rechnung machen: die südafrikanische Corona-Variante B.1.351. Gegen sie wirkt das Janssen-Vakzin nur zu 57 Prozent. Breitet sich die mutierte Form weltweit aus, wäre das ein herber Rückschlag für den Impfstoff made in Switzerland.
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