Bundesrat Alain Berset (50) löste am 5. Juli einen Einsatz der französischen Luftwaffe aus, weil er mit einem gemieteten Privatflugzeug in Frankreich unterwegs war. Er habe militärisches Sperrgebiet überflogen und nicht auf Anweisungen reagiert, sodass ihn ein französischer Kampfjet zur Landung zwingen musste, berichtete die «NZZ». Nachdem er erklärt hatte, wer er war, habe er weiterfliegen können. Berset schwieg seither zum Vorfall, sein Departement gab lediglich eine dünne Stellungnahme ab.
Die Reaktionen in der Schweiz waren vernichtend: Über Vorzugsbehandlung wurde gewettert, Rücktrittsforderungen in den Raum geworfen. Jetzt stellt sich heraus: Den französischen Behörden sind beim Vorfall mit dem Schweizer Innenminister folgenschwere Fehler unterlaufen. Dies berichtet die «Sonntagszeitung», die nach eigenen Angaben Aufzeichnungen von Funksprüchen in einem Onlinearchiv angehört hat.
«Hotel-Bravo-Tango-Oscar-Romeo, do you receive me?»
Demnach hätten die Behörden um 17.25 Uhr – eine Stunde, nachdem Berset unerlaubterweise Sperrgebiet überflog – mit dem 50-Jährigen Kontakt aufnehmen wollen.
Dazu funkten sie ihn an und buchstabierten die Kennzeichnung seines Flugzeuges mit folgenden Worten: «Attention, Hotel-Bravo-Tango-Oscar-Romeo, do you receive me?», sei Berset gefragt worden. Hotel-Bravo-Tango-Oscar-Romeo entspricht in der Flugfunksprache dem Flugzeug-Kennzeichen «HB-TOR».
«D» und «O» verwechselt
Doch Berset antwortete nicht. Weil sein Flugzeug eine andere Bezeichnung trug! Nicht «HB-TOR», sondern «HB-TDR». Offenbar verwechselte der Funker das «D» auf der Cessna mit einem «O» mutmasst die «Sonntagszeitung».
Nach rund 20 Sekunden sei der Funkspruch deshalb wiederholt worden – mit demselben Fehler. Berset antwortete erneut nicht.
Mehr als eine Minute danach sei auf den Tonbandaufnahmen ein mittlerweile gereizter Funker zu hören, der es zum dritten Mal versucht: «Hotel-Bravo-Tango-Oskar-Romeo, do you receive me?»
Erneut keine Antwort.
Weil kein Funkkontakt hergestellt werden konnte, wurde der Luftpolizei-Einsatz ausgelöst. Dies bestätigten die Franzosen bereits vor einigen Tagen.
«HB-TOR» existiert gar nicht
Die Zeitung hat vier Piloten und Aviatikspezialisten angefragt. Drei davon hätten gesagt, dass sie sich aufgrund des falschen Namens wohl auch nicht angesprochen gefühlt hätten. In einem Cockpit würde man dauernd Funksprüche empfangen, mit ähnlich klingenden Bezeichnungen anderer Flugzeuge.
Dass die Flugsicherheit mit der Buchstabenfolge tatsächlich Bersets Flugzeug meinte, sei laut Artikel hingegen belegt. Da ein Flugzeug mit der Bezeichnung «HB-TOR» nicht existiere, sei es möglich, dass Berset die Anweisungen der Behörden nur deshalb ignorierte, weil er schlicht glaubte, nicht gemeint zu sein, schlussfolgern die Autoren. Und schreiben, dass die Tonbandaufnahmen den Bundesrat entlasten.
Weder Berset, sein Innendepartement oder die französische Botschaft wollten eine Stellungnahme zu den neuen Entwicklungen abgeben. (vof)