Lange hat sie um das Anrecht ihrer IV-Teilrente gekämpft. Nun erhielt die 50-jährige Beschwerdeführerin aus Zürich das niederschmetternde Urteil: Das Bundesgericht lehnt ihr Rentenbegehren gänzlich ab.
Wer aufgrund physischer oder psychischer Gebrechen nicht im Büro arbeiten kann, habe generell keinen Anspruch auf eine IV-Rente. Die gälte selbst dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit seitens Betriebsgutachtern bestätigt sei.
Würden die Menschen einer beruflichen Tätigkeit nachgehen, die vor dem Computer erledigt werden kann, so könne theoretisch die gesamte Arbeit im Homeoffice stattfinden. So haben die zuständigen Richter das Urteil laut dem «Tagesanzeiger» begründet.
Homeoffice soll Arbeitsunfähigkeit um 20 Prozent senken
Die Frau, um die es im Urteil geht, kam mit einem defekten Hüftgelenk zur Welt. Mehrere Operationen in der Kindheit haben zur Folge, dass die 50-Jährige nun mit einer versteiften linken Hüfte, einem um 17 Zentimeter verkürzteren Bein und anhaltenden starken Schmerzen leben muss. Dadurch leidet sie nicht nur physisch, sondern auch psychisch. Gutachter stellen der Frau eine Arbeitsunfähigkeit von 40 Prozent aus, was ihr einen Anspruch auf eine IV-Teilrente gibt.
Doch die IV-Stelle hält dagegen und will von den Gutachtern wissen, ob die Arbeitsunfähigkeit auch dann gilt, wenn die Frau im Homeoffice tätig ist. Die Antwort: Ja, diese gelte nach wie vor, allerdings nur noch zu 20 Prozent. Ein Triumph für die IV-Stelle und das Bundesgericht, denn: 20 Prozent reichen nicht aus, um IV-Rentengelder zu beziehen.
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«Das Urteil ist eine Unterstellung»
Das Urteil ist bei Spezialisten höchst umstritten: «Die Wahrscheinlichkeit, eine Stelle zu finden, bei der man vollumfänglich im Homeoffice arbeiten kann, ist gleich null», sagt Michael E. Meier zum «Tagesanzeiger». Bei der Beurteilung sei das Bundesgericht von einem fiktiven Arbeitsmarkt ausgegangen – möglicherweise durch die Corona-Krise «inspiriert».
Das Urteil unterstelle invaliden Personen, dass administrative oder kaufmännische Berufe gänzlich in Homeoffice erledigt werden könnten, sagt Martin Hablützel, Anwalt und Spezialist für Haftpflicht- und Versicherungsrecht zur Zeitung. Dies habe auch Folgen für Betroffene, die bereits eine IV-Rente erhalten, denn die Situation werde alle drei bis fünf Jahre überprüft, sagt der Versicherungsanwalt weiter.
In der Schweiz beziehen derzeit rund 217'000 Frauen und Männer IV-Renten. Davon leiden 28'000 Menschen an Geburtsgebrechen, 104'000 sind aufgrund einer psychischen Erkrankung arbeitsunfähig. Obwohl die Zahl der IV-Bezüger in den letzten Jahren leicht gesunken sind, sind die Ausgaben von 9,3 auf 9,5 Milliarden Franken gestiegen, schreibt der «Tagesanzeiger». (une)
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