Er prägte ganze Elterngenerationen mit seinen Büchern, galt als Erziehungspapst der Schweiz. Jetzt ist Remo H. Largo tot. Der Kinderarzt wurde 76 Jahre alt. Das berichtet der «Tages-Anzeiger». Seine letzten Jahre verbrachte Largo in Uetliburg SG. Er hinterlässt eine Ehefrau, drei Töchter und neun Enkelkinder.
Bekannt wurde der Zürcher Kinderarzt mit seinen Büchern aus den 90er-Jahren. «Babyjahre» (1993) und «Kinderjahre» (1999) wurden Bestseller. Nicht nur in der Schweiz, sondern weltweit. Sie prägten eine ganze Generation. Das weiss auch Dagmar Rösler. Die Zentralpräsidentin vom Dachverband Lehrerinnen und Lehrer sagt zu BLICK: «Die Bücher waren wie ein Wegweiser. Er hat das Kindeswohl ins Zentrum gestellt. Wie müssen wir uns Erwachsene verhalten, damit es den Kindern gut geht.» Damit habe er einen wichtigen Beitrag geleistet.
Lehrer sind oft überlastet
Largo setzte sich für eine Erziehung voller Liebe und Verständnis ein. Wohl auch, weil er als Kind andere Erfahrungen machen musste. In der Schule litt er unter einem Lehrer, der überfordert schien und zur Gewalt griff. Daher setzte sich der Schweizer auch für eine gewaltfreie Erziehung ein. «Lehrer können nur ein positives Vorbild sein, wenn sie eine vertraute Beziehung zum Schüler eingehen. Das ist leider sehr oft nicht der Fall, weil sie überlastet sind», sagte Largo 2017 im Interview mit BLICK. Es sei kaum möglich, eine Beziehung alleine während des Unterrichts aufzubauen.
Prägend für seine spätere Auffassung von Erziehung waren laut eigener Aussage seine Eltern. «Mein Vater eröffnete als Mechaniker eine Werkstatt und war von seiner Arbeit sehr absorbiert. Meine Mutter half mit. Da habe ich wohl ein gewisses Leistungsdenken mitbekommen. Rückblickend war der springende Punkt aber, wie sie mit uns Kindern, anderen Menschen und der Umwelt umgegangen sind. Nämlich mit Respekt und Wertschätzung», fuhr Largo im BLICK-Interview fort.
Schluss mit dem Förderwahn
Largo warnte zudem vor allzu grossem Förderwahn in der Schule und in der Familie. Eltern und Pädagogen sollten den Kindern die Möglichkeiten geben, sich zu entfalten und ohne Druck ins Leben zu finden. 2017 sagte er im «Tages-Anzeiger»: «Neuerdings haben wir auch Kinder mit Burnout. Das Bild ist immer das gleiche: Die Menschen stehen einfach still, machen nichts mehr.» Largo setzte sich auch für die Abschaffung von Noten in der Schule ein – und sorgte damit für hitzige Diskussionen.
Erst dieses Jahr veröffentlichte Largo sein letztes Buch «Zusammen leben. Das Fit-Prinzip für Gemeinschaft, Gesellschaft und Natur». Darin schreibt er: «Wir leben in einer merkwürdigen Zeit.» Er wollte die Gesellschaft mit dem Fit-Prinzip, das er bereits in seinen anderen Bestsellern skizzierte, in Einklang bringen: Ihm schwebt eine solidarische Gesellschaft vor, in der alle ihre Einzigartigkeiten ausleben können. (jmh/esn)