Am Donnerstagnachmittag gingen in der Nähe des Oeschinensees im Berner Oberland mehrere Lawinen nieder. Ein Franzose (†32) aus dem Kanton Waadt starb noch an der Unfallstelle, vier weitere Personen wurden verletzt. «Die umgehend ausgerückten Einsatzkräfte konnten die betroffenen Personen bergen, wobei ein Mann noch vor Ort seinen Verletzungen erlag», schrieb die Kantonspolizei Bern am Abend.
Die Zürcherin Kelsey Winston (31) war am Donnerstag selber oberhalb des Oeschinensees unterwegs, befand sich etwa noch 30 Minuten von der Unfallstelle entfernt. Plötzliche hörte die erfahrene Wanderin einen riesigen Knall. «Wir schauten zum Berg hinauf und sahen drei grosse Lawinenströme auf den darunterliegenden Wanderweg zu rollen.» Es sei ein beängstigender Moment gewesen. «Ich sah, wie die Wanderer versuchten, wegzurennen. Einige sassen jedoch in der Falle.» Denn: Die Lawinen haben einigen Berggängern den Weg abgeschnitten.
«Personen waren auf dem Boden»
«Einige Personen waren auf dem Boden, sie kamen nicht mehr weiter.» Schliesslich seien die ersten Rettungshelikopter eingetroffen. Die Rettung gestaltete sich laut Winston komplex. «Während die Rettungskräfte versuchten, die Menschen zu bergen, kam immer neues Material vom Berg hinunter», beschreibt die 31-Jährige die Szene am Berg.
Mehr als 60 Wanderer wurden von dem Vorfall überrascht, schreibt der «Tagesanzeiger» am Freitag. Auf der Internetseite Oeschinensee.ch war der entsprechende Wanderweg als gesperrt vermerkt, auf der Onlinekarte des Geoportals des Bundes ist von einer Warnung allerdings nichts zu sehen. Hätten die Berggänger deutlicher vor der Gefahr gewarnt werden müssen?
Gemeindepräsident wehrt sich gegen Vorwürfe
«Es gab weder in der Bahn noch bei der Abzweigung später einen Hinweis auf den gesperrten Weg», kritisiert ein Betroffener gegenüber der Zeitung. Am Tag der Katastrophe seien viele Leute unterwegs gewesen, darunter Familien mit Kindern. «Es ist ein Wunder, dass nicht mehr Menschen verletzt wurden.»
Nach dem Unfall erfolgte die Evakuierung per Helikopter. Beim Amt für Naturgefahren des Kantons Bern will man nichts falsch gemacht haben. Zu den weiss-rot-weiss markierten Bergwanderwegen sagt Leiter Nils Hählen dem «Tagesanzeiger»: «Man geht davon aus, dass die Leute, die sich auf diesen Wegen bewegen, Kenntnisse von den Gefahren haben. Zum anderen wäre es gar nicht möglich, die Wege im gesamten Berggebiet zu sperren.»
Für den betroffenen Heuberg-Weg ist die Gemeinde Kandersteg zuständig. «Hinweistafeln bei der Bergbahn und auch im Gebiet selbst machten auf die Sperrung des Wanderwegs aufmerksam», behauptet Gemeindepräsident René Maeder. Zudem sei eine Brücke demontiert gewesen, die auf den Wanderweg führt. Schuldzuweisungen hält er für fehl am Platz.
«Wir hatten unglaubliches Glück», sagt der Berggänger. «Es hätte auch uns treffen können-» Man könne den Leuten nicht verbieten, in das Gebiet zu gehen, ergänzt er, «doch vielleicht könnte man besser auf die drohenden Gefahren hinweisen».
Kapo Bern: Abklärungen im Gange
Abklärungen zum Lawinenniedergang sind im Gange, wie die Kantonspolizei Bern schreibt. «Die Lawinengefahr in den Bergen dürfte auch weiterhin gegeben sein. Aus diesem Grund empfiehlt die Kantonspolizei Bern, die aktuellen Prognosen zur Schnee- und Lawinensituation zu konsultieren», heisst es.
Winston liegt es besonders am Herzen, dass sich Touristen und Anfänger vor einer Wanderung gut informieren. «Den Leuten muss bewusst sein, dass immer unerwartete Gefahren lauern können.» Deshalb sei die Planung und Vorbereitung einer Wanderung enorm wichtig.