Die Zahlen sind düster: Für das laufende Jahr veranschlagt die Stadt Bern ein Defizit von 35,1 Millionen Franken. Mit einer Milliarde und 395 Millionen Franken wird sie Ende Jahr bei ihren Gläubigern in der Kreide stehen. So sieht es der Finanzplan vor.
Bern müsste sparen. Und doch hat der Berner Stadtrat Ende November 2022 beschlossen, für 3,7 Millionen Franken im Untermattquartier in Bern-Bethlehem ein Grundstück in einer Wohnzone zu kaufen. Darauf soll später – für zusätzliches Geld – ein Spielplatz mit Begegnungszone gebaut werden. Grund: Es bestehe im Quartier eine Unterversorgung an Spiel- und Begegnungsflächen. Die Parzelle ist rund 2300 Quadratmeter gross. Das heisst: Der Quadratmeter kostet die Stadt rund 1580 Franken. Gemäss einer externen Erhebung entspricht dies einem «Mittelwert für Wohnbauland mit Mietwohnungen bei guter Lage».
Und doch ist der Kredit höchst umstritten – weil auf dem Grundstück einzig ein Spielplatz gebaut werden soll. Gross- und Stadtrat Thomas Fuchs (SVP, 56) spricht vom «teuersten Spielplatz der Welt». Gross- und Stadträtin Sibyl Eigenmann (37) von der Mitte doppelt nach: «Die Stadt hat schlecht verhandelt, der Preis ist zu hoch.»
«Das müsste man bestrafen»
Die beiden haben darum, zusammen mit einem überparteilichen Komitee, das Referendum dagegen ergriffen. Das Komitee besteht aus der Vereinigung Bernaktiv, Vertreterinnen und Vertreter der SVP, der Mitte, der GLP und dem Bund der Steuerzahler.
Das Referendumskomitee kritisiert, dass mit diesem Projekt Bauland an zentraler Lage nicht optimal bebaut werde. Das stehe im Widerspruch zur städtischen Wohnstrategie. Diese sehe neben genügend günstigem Wohnraum auch eine verdichtete Bauweise vor.
«Rot-Grün will wertvolles Bauland für einen Spielplatz verschwenden. Das ist Irrsinn und eine Vergeudung von Steuergeldern, die man bestrafen müsste», sagt Fuchs. Bezahlen müssten die Schulden dereinst genau jene Kinder, die irgendwann mal auf diesem Spielplatz spielen würden, warnt Eigenmann.
Alte Eigentümerin soll Parkplatz bis zum Bau weiterhin nutzen
Das Grundstück gehört heute dem Apotheken- und Logistikkonzern Galenica. Es wird von den Mitarbeitenden als Parkplatz benutzt. Das soll weiterhin so bleiben. Nach dem Kauf und bis zum Bau des Spielplatzes soll Galenica nämlich die Fläche weiterhin kostenlos nutzen dürfen.
Damit nicht genug: Der Grosskonzern soll während dieser Zeit sogar die Einnahmen durch die Vermietung der rund 80 Parkplätze behalten dürfen. Dies, obwohl Galenica zu diesem Zeitpunkt der Parkplatz gar nicht mehr gehört!
Es handle sich hierbei um einen versteckten Kaufpreis, der nicht der Grundstückgewinnsteuer unterworfen sei, kritisiert das Komitee. Der Stadt entgehe damit viel Geld. «Beim Budget diskutieren wir dann wieder, ob man ein paar Tausend Franken für eine Bibliothek streicht, weil man kein Geld hat. Das geht für mich nicht auf», sagt Fuchs.
«Die Mieteinnahmen belaufen sich auf einen niedrigen fünfstelligen Betrag pro Jahr und werden praktisch ausschliesslich für die Förderung der ÖV-Abos der Mitarbeitenden und den Unterhalt des Grundstücks verwendet. Von einem versteckten Kaufpreis kann somit keine Rede sein», heisst es bei Galenica auf Anfrage.
«Keine Alternativen»
Unterstützt werden die Kaufpläne von den Fraktionen der SP und Grünes Bündnis/Junge Alternative. «Das Grundstück liegt in einem sozial benachteiligten und multiethnisch zusammengesetzten Quartier. Es gibt dort sehr wenig Spielflächen. Ein Grünraum in diesem Quartier ist daher sehr wichtig», sagt Michael Sutter (41), Fraktionsvizepräsident der SP.
Die Flächen würden in der Wohnzone bleiben und verlören nicht an Wert. Das habe seinen Preis. «Wir sehen den Kauf darum auch als Investition in die Zukunft. Es ist schliesslich nicht in Stein gemeisselt, dass dort die nächsten 100 Jahre ein Spielplatz steht», sagt Sutter. Er räumt zwar ein, in der angespannten Finanzlage der Stadt Bern müsse man alle Ausgaben kritisch anschauen. «Hier bieten sich aber keine Alternativen an.»
Ursina Anderegg (41), Stadträtin und Co-Präsidentin vom Grünen Bündnis, sagt: «Die Rhetorik vom Luxusspielplatz finden wir zynisch. Kinder haben ein fundamentales Recht auf Spielräume, die Stadt ist verpflichtet, diese zur Verfügung zu stellen.» Zudem sei es auch wichtig, dass die Stadt wieder zu mehr eigenem Land komme.
1500 Unterschriften bis Ende Januar
«Klar: Die Kosten für das Grundstück erscheinen hoch. Aber wenn man sieht, für wie viele Leute dort etwas entsteht und ein Mangel behoben werden kann, muss man sagen, das ist gut investiertes Geld», so Anderegg.
Das Referendumskomitee hat bis Ende Januar Zeit, um 1500 gültige Unterschriften zu sammeln und so eine städtische Abstimmung zu diesem Geschäft zu erzwingen. Bis Freitag sind laut Thomas Fuchs bereits über 1600 Unterschriften eingegangen, die man bereits beglaubigen lassen wolle.
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