«Man hat gesehen, dass er kein Herz aus Stein hat»
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Verteidiger nimmt Stellung:«Man hat gesehen, dass er kein Herz aus Stein hat»

Tötungsdelikt in Oey BE – er erschlug Vana V. (†31) mit dem Hammer, danach enthauptete er sie mit dem Küchenbeil
Muss Qerim B. (62) lebenslänglich hinter Gitter?

Die Horror-Tat von Oey BE sorgte schweizweit für Aufsehen: Qerim B. (62) tötete im März 2020 die Mutter seiner vier Kinder, die einst seine Stieftochter war. Am Mittwoch musste sich der zwanghaft eifersüchtige Bosnier nun vor dem Gericht in Thun BE verantworten.
Publiziert: 16.03.2022 um 19:34 Uhr
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Aktualisiert: 17.03.2022 um 07:43 Uhr
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Der mutmassliche Mörder Qerim B. raucht in der Prozesspause eine Zigarette.
Foto: Claudio Meier
Luisa Ita

Der mutmassliche Mörder Qerim B.* (62) erscheint für seinen Prozess am Mittwoch in einem eleganten Mantel und blauen Jeans. Er ist nicht sehr gross, trägt einen auffälligen grauen Schnäuzer – gegen aussen wirkt er ruhig und besonnen.

Die Verhandlung am Regionalgericht Oberland in Thun BE beginnt am morgen direkt mit seiner Befragung. Bereitwillig gibt er den Richtern in seiner Muttersprache Auskunft, die Übersetzerin vermittelt.

Brutal erschlagen und enthauptet

Der Bosnier bestreitet nicht, dass er am 18. März 2020 die Mutter seiner vier Kinder, die einst seine Stieftochter und dann seine heimliche Affäre war, auf dem Schrottplatz in Oey BE umgebracht hat. Laut der Anklageschrift soll er Vana V.* (†31) zuerst mit einem Schlosserhammer brutal erschlagen und danach mit einem Küchenbeil beinahe komplett enthauptet haben.

An den genauen Tatablauf will sich der Beschuldigte jedoch wegen seiner Diabetes-Erkrankung nicht mehr erinnern können – ihm sei schwarz vor Augen geworden: «Als ich danach gegriffen habe, war mir nicht bewusst, dass es sich um einen Hammer handelte. Ich habe mich vergessen, nichts mehr gespürt, nichts mehr gesehen.»

«Er sah seine Frau als Besitz an»
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Qerim B. vor Gericht:«Er sah seine Frau als Besitz an»

Qerim B. habe «keinen anderen Ausweg gesehen»

Der Horror-Tat ging ein Streit voraus. Die Verkäuferin floh etwa zwei Wochen zuvor aus den Fängen des rasend eifersüchtigen Familientyrannen und lebte seither mit den Kindern im Frauenhaus. Dies wollte Qerim B. nicht akzeptieren – und sie zurückgewinnen, wie er selbst aussagte. Zudem fürchtete er, dass es bereits einen anderen Mann in ihrem Leben geben könnte: Ein Mechaniker hatte offenbar ihr Auto gratis geflickt. «Wer wechselt all diese Sachen schon umsonst aus?», gab der 62-Jährige am Mittwoch zu bedenken. Zudem habe er Knutschflecken an ihrem Hals gesehen.

Er habe bei dem verhängnisvollen Treffen auf dem Schrottplatz mit Küssen und Berührungen versucht, sie zurückzugewinnen – sie habe ihn aber weggestossen und als «hässlichen, alten Mann» beschimpft. «Da ist sein Kartenhaus zusammengebrochen, und es kam zu einer Kurzschlussreaktion», sagte der Verteidiger am Mittwoch in seinem Plädoyer. Qerim B. habe ihm selbst gesagt, dass er ohne Vana V. nichts sei: «Sie hat viel besser Deutsch geredet, ist für das Administrative zuständig gewesen und hat den Haushalt geschmissen.» Der Angeklagte habe in seiner Verzweiflung keinen anderen Ausweg als die Tötung gesehen.

92 Monate oder lebenslänglich?

Während der Verteidiger auf vorsätzliche Tötung plädiert und eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren und acht Monaten als angemessen sieht, geht die Staatsanwaltschaft von einem skrupellosen und kaltblütigen Mord aus und will eine lebenslängliche Haftstrafe sowie einen Landesverweis für 15 Jahre: «Er hat bewusst und gewollt in die Tat umgesetzt, was er bereits geplant hatte: ihr den Kopf abzuschneiden, wenn sie nicht zu ihm zurückkommt.»

Die Staatsanwältin führte weiter aus, dass Qerim B. seine Tat nicht zu bereuen scheine und lediglich sich selbst bemitleide. Der «Patriarch» sei in seinem Stolz verletzt worden, als Vana V. sich von ihm getrennt habe. Seine Einstellung sei sehr altmodisch gewesen, so habe er seine Lebenspartnerin etwa als «Besitz» angesehen: «Seine Frau darf nicht arbeiten, hat sich nicht zu schminken und soll daheim den Haushalt führen.» Zu ihrer Stiefschwester soll die vierfache Mutter einmal gesagt haben: «Am Tag bin ich seine Putzfrau, am Abend seine Schlampe.»

«Er handelte aus Wut und Enttäuschung»

Doch der selbständige Alteisenhändler, der nach 22 Jahren in der Schweiz kaum Deutsch spricht, sah die Beziehung offenbar anders. Vor Gericht sagte er: «Wir haben uns geliebt.» Die von der Staatsanwaltschaft angeklagte Vergewaltigung streitet er ab. Sein Rechtsanwalt betont auch, dass sein Mandant die Tat bereue und «kein Herz aus Stein» habe: Er habe mehrfach Tränen vergossen und sich sogar umbringen wollen.

Er wolle nicht das Opfer beschuldigen, jedoch habe das ambivalente Verhalten von Vana V. seinem Mandanten die Trennung zusätzlich schwer gemacht, und er habe immer wieder Hoffnung geschöpft: «Er handelte aus Wut und Enttäuschung.»

«Ich habe nicht gewusst, dass so etwas passieren kann»

Das letzte Wort in der Verhandlung am Mittwoch sprach Qerim B. Er sagte: «Ich habe nicht gewusst, dass so etwas passieren kann. Hätte ich das gewusst, wäre es nie passiert. Ich kann leider die Zeit nicht mehr zurückdrehen, es tut mir sehr leid.»

Das Urteil im Fall Oey wird voraussichtlich am Freitag gefällt, bis dahin gilt für den Angeklagten die Unschuldsvermutung.

* Namen geändert

Hier wird der Angeklagte ins Gericht gefahren
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Mord-Prozess in Thun BE:Hier wird der Angeklagte ins Gericht gefahren
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