Die Anklageschrift zum Mord in Oey BE liest sich wie ein grausamer Krimi: Qerim B.* (62) soll im März 2020 die Mutter seiner vier Kinder auf einem Schrottplatz mit einem Hammer erschlagen und sie danach mit einem 35 cm langen Küchenbeil «nahezu komplett enthauptet» haben. Insgesamt 14-mal soll er mit den beiden Werkzeugen gegen den Kopf von Vana V.* (†31) und viermal gegen ihren Hals geschlagen haben.
Die Tat sorgte damals schweizweit für Aufsehen. Seither befindet sich B. hinter Gittern: Zunächst sass er in U-Haft, unterdessen wurde er jedoch in den vorzeitigen Strafvollzug versetzt. Am Mittwoch wird ihm nun am Regionalgericht Oberland in Thun BE der Prozess gemacht.
Angeklagter: «Sie hat mich kaputt gemacht»
Die Verhandlung am Regionalgericht in Thun BE beginnt am morgen mit der Befragung vom Täter. Bereitwillig gibt der mutmassliche Mörder den Richtern in seiner Muttersprache Auskunft, die Übersetzerin vermittelt, da er kein Deutsch spricht. Der 62-Jährige ist geständig, doch an den genauen Tatablauf will er sich aufgrund seiner Diabetes-Erkrankung nicht mehr erinnern können – ihm sei schwarz vor Augen gewesen: «Als ich danach gegriffen habe, war mir nicht bewusst, dass es sich um einen Hammer handelt. Ich habe mich vergessen, nichts mehr gespürt, nichts mehr gesehen.»
Bei dem Streit, welcher der Tat vorausgegangen sei, sei es um die von ihm nicht akzeptierte Trennung und einen möglichen anderen Mann im Leben von Vana V.* (†31) gegangen. «Sie erzählte mir, sie hätte einen Automechaniker in Biel gefunden, der ihr einen Sensor, die Bremsen vorne und hinten komplett und wenn nötig sogar das Steuergerät auswechseln würde und das alles umsonst. Ich war sowieso immer schon eifersüchtig und wer wechselt dir all diese Sachen umsonst schon aus?», sagte er aus. Zudem habe er einen Knutschfleck an ihrem Hals gesehen. In früheren Einvernahmen soll er gar gesagt haben: «In dem Moment, als sie mir vom Mechaniker erzählt hat, hat sie mich kaputt gemacht.»
Staatsanwältin fordert lebenslängliche Haft
Die Staatsanwältin führte in ihrem Plädoyer aus, dass Qerim B. seine Tat nicht zu bereuen scheine und lediglich sich selbst bemitleide. Der «Patriarch» sei in seinem Stolz verletzt worden, als Vana V. mit den Kindern ins Frauenhaus geflüchtet sei. Seine Einstellung sei nämlich sehr altmodisch gewesen, so habe er seine Frau etwa als «Besitz» angesehen: «Seine Frau darf nicht arbeiten, hat sich nicht zu schminken und soll daheim den Haushalt führen.»
Sie zitierte dann Einträge aus dem Tagebuch der Getöteten: «Ich habe keine Luft mehr und fühle mich total ausgenutzt, als wäre ich Sklavin.» Und zu ihrer Stiefschwester soll sie gesagt haben: «Am Tag bin ich seine Putzfrau, am Abend seine Schlampe.» Doch Qerim B. sah dies offenbar anders. Bei seiner Befragung sagte er am Mittwoch vor Gericht: «Wir haben uns geliebt. Wenn sie mich nicht geliebt hätte, wäre sie nicht an meinen Arbeitsplatz gekommen.» Im Verfahren soll der Bosnier gesagt haben, dass Vana V. mit der Trennung sein Leben zerstört habe. Das Motiv daher laut der Staatsanwältin für die grausame Tat: Rache.
Die Tötung der 31-Jährigen habe er ausserdem geplant: Er habe sie heimtückisch an seinen abgeschotteten Arbeitsort auf dem Schrottplatz gelockt, statt sie – wie von ihr vorgeschlagen — auf einer gut frequentierten Raststätte zu treffen. Er habe immer den Plan gehabt, sie umzubringen und zu enthaupten, sofern sie sich nicht dafür entscheide, zu ihm zurückzukehren. «Er hat sie regelrecht hingerichtet», so die Staatsanwältin. Sie fordert einen Schuldspruch wegen Mordes und die Höchststrafe: Qerim B. soll lebenslänglich hinter Gittern bleiben! Zudem sei ein Landesverweis von 15 Jahren auszusprechen, eine Busse von 2’800 Franken und er solle die Verfahrenskosten tragen.
Qerim B. hatte mit seiner Stieftochter vier Kinder
Die Familienverhältnisse sind so bizarr, dass sie beinahe erfunden klingen. Der Bosnier schwängerte die junge Frau zum ersten Mal, als diese erst 16 Jahre alt war – heimlich, drei weitere Kinder sollten noch folgen. Zu dem Zeitpunkt war sie eigentlich seine Stieftochter und er offiziell noch mit ihrer Mutter zusammen. Sie lebten damals alle unter einem Dach in Zweisimmen BE.
Das Baby kam zur Welt, die Identität des Vaters blieb zunächst geheim. Doch eine durchschaute die Affäre: Ladina B.* (38), die leibliche Tochter des Killers aus einer früheren Beziehung. Kurz nach der Tat sagte sie zu Blick: «Das Baby, das meine Stiefschwester mit 16 bekam, nannte ich immer meinen Bruder, denn ich wusste genau, wer der Vater war: mein eigener Vater.»
Mutmasslicher Mörder krankhaft eifersüchtig
Er sei zwanghaft eifersüchtig gewesen, berichtete seine leibliche Tochter nach der Tragödie: «Jeden Kontakt, den sie hatte, sah er als mögliche Affäre. Er hat sogar den Kilometerstand ihres Tachos fotografiert, um zu überprüfen, wie weit sie gefahren ist.» Gemäss Anklage flüchtete die junge Frau am 2. März 2020 mit ihren Kindern in ein Frauenhaus. Doch dies stiess dem Familientyrannen sauer auf – er habe gegenüber diversen Verwandten und auch gegenüber Vana V. selbst gesagt, dass er sie umbringen wolle.
Knapp zwei Wochen später telefonierte Qerim B. seiner einstigen Stieftochter ins Frauenhaus und behauptete laut Anklageschrift, er werde die Trennung nun akzeptieren. Die beiden sollen sich dann für den nächsten Tag verabredet haben, um noch ein paar Einzelheiten zu besprechen. Unter dem Vorwand, sein Fahrzeug sei überladen und er könne darum nicht auf die Autobahn fahren, lockte er die Mutter seiner vier Kinder zu seinem Arbeitsplatz in Oey BE.
Etwa um 9.40 Uhr sei Vana V. mit den beiden jüngeren Kindern dort eingetroffen, und der 62-Jährige habe versucht, seine Ex-Partnerin wieder für sich zu gewinnen. Dann hätten sich die beiden in den Bürocontainer begeben, heisst es in der Anklageschrift. Der uneinsichtige Familienvater habe dann versucht, Vana V. zu küssen und zu berühren – doch sie habe ihn weggestossen und gesagt: «Geh weg, du hässlicher alter Mann!» Dann verübte Qerim B. laut Anklage seine Tat.
Schlosserhammer und Küchenbeil wurden zur Waffe
Die Kinder, die offenbar die Schreie der Mutter gehört hatten, alarmierten noch den Vermieter des Platzes. Der Bosnier soll ihm jedoch gemäss der Staatsanwaltschaft nach dem mutmasslichen Mord noch versichert haben, dass «mit seiner Frau alles in Ordnung sei». Kurz vor 11 Uhr habe er die Kinder ins Auto gepackt und sei losgefahren.
Die Kleinen übergab er Verwandten, dann sei er zu der Alpachweide in Wimmis BE gefahren. Dort übergoss er sich sowie sein Fahrzeug laut der Anklageschrift mit Benzin, um sich anzuzünden. Doch vorher informierte er noch seine Angehörigen über die Tat, heisst es weiter. Dann habe er dennoch von einem Suizid abgesehen und sei an die Arbeitsstelle seines Opfers gefahren. Dort habe er sich etwas zu trinken gekauft und habe schliesslich verhaftet werden können.
Ladina B. hatte nach der Tat für ihren Vater nur noch Wut und harte Worte übrig. «Er ist ein Schweinehund! Er hat sie einfach getötet. Ich hoffe, dass er hart bestraft wird», sagte sie im Frühling 2020 zu Blick.
* Namen geändert