Demonstrant kündigt Strafanzeige gegen Kantonspolizei Bern an
1:13
Neues Video erklärt Schläge:Darum kam es zum Knallhart-Einsatz der Berner Polizei

«Das Verhalten der Polizei ist unschweizerisch»
Demonstrant kündigt Strafanzeige gegen Kantonspolizei Bern an

Videoaaufnahmen belegen, wie gnadenlos Beamte in Bern am Donnerstag gegen Massnahmen-Gegner vorgegangen sind. Nun geht das Prügel-Opfer gegen die Kantonspolizei vor – und will Strafanzeige einreichen.
Publiziert: 08.10.2021 um 12:28 Uhr
|
Aktualisiert: 08.10.2021 um 18:35 Uhr
1/6
Polizisten der Kantonspolizei Bern schlagen an der nicht bewilligten Corona-Demo in Bern auf einen Mann ein.
Foto: Screenshot Live1
Tobias Ochsenbein

Beim verprügelten Demonstrant aus Bern handelt es sich laut dem Zürcher SVP-Kantonsrat Claudio Schmid um M. M.*, einen Medizinal-Unternehmer aus Bülach ZH. «Mein Bekannter ist Massnahmen-Kritiker und extra mit dem Auto nach Bern an die Demo gefahren», sagt Schmid zu Blick. Der Politiker berät das Prügelopfer von Bern rechtlich. «Ehrenamtlich», wie er betont.

Auf Videos ist zu sehen, wie der Mittfünfziger M. M. an der unbewilligten Demo auf die Polizisten in Vollmontur zugeht – und plötzlich von mehreren Beamten in der Bundesgasse zu Boden gedrückt wird. Die Polizisten knien auf ihn, schlagen mehrmals zu. Bis sich der Mann nicht mehr wehrt.

Schmid sagt: «Mein Bekannter wollte einfach durchgehen.» Er habe keine bösen Absichten gehabt und die Polizei nicht angreifen wollen.

Die Polizei sieht das anders: «Was auf dem Video nicht zu sehen ist: Der mit einer Schutzbrille ausgerüstete Mann ging zuvor trotz Einsatz von Gummischrot unaufhaltsam auf die Einsatzkräfte zu und trat an sie heran», erklärt Christoph Gnägi, Medien-Chef der Kapo Bern. Er habe seine Hände verdeckt gehabt und darum «unter Widerstand zu Boden geführt» werden müssen. Dort habe er sich weiter gewehrt. «Kontrollierte Schläge gegen den Körper sind eine ausgebildete Technik, um bei anhaltendem Widerstand die Muskelspannung zu lösen», heisst es. Der Mann muss mit einer Anzeige rechnen.

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.

«Wir reichen Strafanzeige gegen die Berner Polizei ein»

Tatsächlich zeigen Aufnahmen, dass ein Mann aus der Menge der Demonstranten auf die Polizeilinie zumarschiert. Mit den Händen in den Jackentaschen reagiert er auch nicht auf Zurufe von Einsatzkräften. Zu sehen ist auch, dass der Mann sich mit Tritten gegen die Polizisten zu wehren versucht, als er schon auf dem Boden liegt.

Schmid lässt die Erklärung der Polizei nicht gelten. Er sieht bei der Attacke auf den Mann einen Verstoss der Kantonspolizei Bern gegen die Dienstvorschrift. «Das Verhalten der Polizei ist unschweizerisch», sagt Schmid. M.M. werde gegen den fehlbaren Polizisten vorgehen. «Dienstanweisungen der Sicherheitsbehörden sehen Gewaltexzesse gegen Bürger in dieser Form nicht vor», begründet Schmid das Vorgehen. «Wir reichen Strafanzeige ein.»

M. M. hätte laut Schmid zwar keine physischen Verletzungen davongetragen. Er sei aber mental schwer angeschlagen, weil er nie damit gerechnet habe, dass ihm so etwas passiere.

Hier ringt die Polizei einen Corona-Demonstranten nieder
1:07
«Kontrollierte Schläge»:Hier ringt die Polizei einen Corona-Demonstranten nieder

Knallharter Einsatz auch am Bahnhof Bern

Überschreitet da die Polizei eine Grenze? «Die Szene sieht brutal aus. Aber beim Vorgehen der Polizisten handelt es sich um eine Technik, die wir so ausbilden», erklärt Gnägi weiter. Die Beamtinnen und Beamten würden in jeder Situation selber entscheiden, welche Techniken sie anwenden. Oberstes Ziel sei dabei, die Situation unter Kontrolle zu bringen.

Ein anderes Video vom Donnerstagabend zeigt Beamte bei einem rabiaten Einsatz am Bahnhof Bern. Auch dort drücken zwei Beamte einen Mann zu Boden. Eine unbeteiligte Frau schreit. Jeden Donnerstag versammeln sich Corona-Skeptiker in Bern. Die Demos sind nicht bewilligt. Das Polizeiaufgebot ist darum gross. Das wirkt sich auch auf die Freizeit der Beamtinnen und Beamten aus. Sie dürfen ab sofort am Donnerstag nicht mehr freinehmen.

Hier werden die Demonstranten festgenommen
0:40
Um diesen Einsatz geht es:Hier werden die Demonstranten festgenommen

Sicherheitsdirektor Nause schweigt

Berns Sicherheitsdirektor Reto Nause will sich nicht zu den Vorfällen äussern und verweist stattdessen auf die Kantonspolizei. Sprecher Christoph Gnägi sagt dazu: «Es ist klar, dass diese Grosseinsätze jede Woche für das ganze Berner Polizeikorps eine grosse Belastung sind. Trotzdem erwarten wir von unseren Mitarbeitenden jederzeit professionelle Arbeit. Von dieser einen Szene in der Bundesgasse nun auf den gesamten Einsatz zu schliessen, wäre falsch.»

Das Vorgehen der Polizei gründe auf Erfahrungen aus den vorangegangenen Einsätzen, sagt Gnägi. «Da gab es aggressive Tätigkeiten und Handgemenge – es ist klar, dass solche Vorfälle in die Mittelplanung der Kantonspolizei Bern einfliessen.» Die Polizei müsse exponierte Gebäude wie das Bundeshaus und Unbeteiligte schützen und die öffentliche Ordnung wiederherstellen können, so Gnägi.

Vier Personen angezeigt

Die Polizei teilt mit, dass sie am Donnerstag 80 Wegweisungen ausgesprochen hat, neun Personen seien in Polizeiräumlichkeiten kontrolliert worden. Vier Personen müssen zudem mit einer Anzeige rechnen. Ein Polizist sei verletzt worden.

*Name abgekürzt

Fehler gefunden? Jetzt melden