Als Bernhard Neuenschwander (55) die Tür zum Felllager der Gerberei in Oberdiessbach BE öffnet, dringt ein beissender Geruch ins Treppenhaus. Der Anblick dahinter ist einzigartig und raubt einem – nicht nur wegen des strengen Dufts – direkt den Atem: Tausende Tierfelle liegen in einer riesigen, meterhohen Halle fein säuberlich aufgestapelt auf Paletten. Von winzigen Kaninchenfellen bis zu riesigen Rinderhäuten ist alles dabei.
«Das hier sind die Rotfüchse», sagt der Geschäftsführer und deutet auf einen Holzwagen, auf dem Dutzende Felle ordentlich aufgeschichtet sind. «Das sind aber noch lange nicht alle! Im Hochregallager lagern noch viel mehr.» Leise fügt er an: «Leider.»
Schaf- statt Fuchsfelle
Leider – aus seiner Sicht. Denn Fuchsfelle will heute niemand mehr. «Schon seit zwei oder drei Jahren verkaufen wir nur noch sehr wenige Füchse», sagt Neuenschwander. Lediglich ein paar Geschäfte aus Touristenorten würden die Trophäen zu Dekozwecken bestellen. Und manchmal wollten Jäger ihr erlegtes Tier gerben lassen. «Damit hat es sich dann aber auch schon. Heute haben die Leute eher Schaffelle zu Hause.»
Ein Schaffell werde halt von der Gesellschaft auch nicht als Pelz wahrgenommen. Fast in jedem Kinderwagen liege ja heutzutage ein Schaffell und da sage niemand etwas, erklärt der Berner. «Aber beispielsweise mit einer Fuchsjacke muss man sich in der Stadt viele Kommentare anhören.»
Bruch mit Familientradition
Für den Chef des Familienbetriebs ist dies nicht ganz verständlich. Er ist vehement gegen die Zucht von Tieren lediglich für die Pelzproduktion. In Oberdiessbach würden daher nur Felle von Tieren haltbar gemacht, die für den Fleischkonsum sowieso geschlachtet oder von Jägern zwecks Bestandsdezimierung geschossen wurden. Letzteres ist vor allem bei den Füchsen der Fall.
«Die Felle, die wir verarbeiten, würden sonst als Schlachtabfälle enden und weggeworfen. Das ist ja auch schade. Bis letztes Jahr haben wir die Füchse deswegen den Jägern auch trotz kleiner Nachfrage noch abgekauft», so Neuenschwander, der die Gerberei bereits in fünfter Generation führt. «Ab diesem Jahr geht das jetzt wirklich nicht mehr. Zum ersten Mal in der Geschichte unseres jahrhundertealten Familienbetriebs können wir keine Füchse mehr kaufen.»
Landen die Felle bald im Müll?
Das grosse Problem mit den Füchsen: Sie haltbar zu machen, kostet Geld. Rund 20 Mal nehmen die Mitarbeiter das Fell während der Verarbeitung in die Hände – bis schliesslich ein kuscheliger Pelz entsteht.
Da die Nachfrage so gering ist, lagert die Gerberei die Felle roh ein und bearbeitet sie nur auf Anfrage. «In diesem rohen Zustand sind sie aber nur etwa vier oder fünf Jahre haltbar. Das Eigenfett greift nämlich irgendwann die Felle an und macht sie unbrauchbar», so der Fuchs-Fachmann.
«Wir bleiben momentan auf 5000 Fellen sitzen», sagt er weiter. «Wenn wir sie nicht bald verkaufen können, müssen wir sie vermutlich sogar wegwerfen.»
Sogar international habe die Berner Firma jetzt die Werbetrommel gerührt, damit die vielen Füchse nicht im Müll enden: «Bislang ohne Erfolg. Es hat einfach niemand eine Verwendung dafür.»