Der Tod von Lisa M.* (†8) schockiert die ganze Schweiz und wirft gleichzeitig viele Fragen auf. Wie starb das kleine Mädchen, das am Dienstagabend tot im Könizbergwald nahe der Könizer Gemeinde Niederwangen BE gefunden wurde?
Am Donnerstag wird klar: Die Ermittler gehen von einem Verbrechen aus. Die regionale Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland teilt mit, dass ein Verfahren wegen vorsätzlicher Tötung eröffnet wurde. Eine Person aus dem Umfeld des Kindes wurde festgenommen. Ob und inwiefern diese im Zusammenhang mit dem Tod des Mädchens steht, ist Gegenstand weiterer Ermittlungen. Ein Antrag auf U-Haft wird laut Kantonspolizei-Sprecherin Jolanda Egger geprüft.
«Wir gehen von einem Delikt aus, aber ein Unfall kann noch nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden», so Egger zu Blick. Gleichzeitig möchte sie das Quartiert beruhigen. «Gemäss Polizei ist nicht von erhöhter Gefahr gegenüber Personen auszugehen. Es gibt gewisse Anhaltspunkte, dass die verhaftete Person in Zusammenhang steht mit dem Tod des Kindes.»
Sie wies Verletzungen auf
Auf Anfrage von Blick teilt die Kantonspolizei Bern ausserdem mit, dass die Achtjährige Verletzungen aufwies. Ob diese in Zusammenhang mit ihrem Tod stehen, dazu macht die Behörde keine Angabe. Laut dem rechtsmedizinischen Gutachten gibt es keinen Hinweis auf ein Sexualdelikt.
Wie Blick aus dem Umfeld der Grosseltern erfuhr, haben die Mutter und die Grossmutter das tote Kind gemeinsam im Wald aufgefunden.
«Gut, dass sie jemanden haben»
Nachbarin Ursula Sumberger (69) ist erleichtert, dass inzwischen jemand festgenommen wurde. «Eltern in der Umgebung können aufatmen. Gut, dass sie jemanden haben», sagt sie zu Blick. Auch Isabella Bidron (37) atmet auf: «Ich fühle mich besser jetzt und bin auch froh, dass es sich nicht um irgend einen Verrückten handelt, der hier in der Gegend rumrennt und wahllos Leute tötet», sagt die Anwohnerin. «Jetzt wird hoffentlich langsam alles wieder zur Normalität zurückkehren.»
Claudio Pinterelli (61) ist immer noch tief betroffen von Lisas Tod. Nach der Festnahme sei er erleichtert, denn die Sache habe ihn innerlich sehr bewegt. «Ich hoffe, dass das Mädchen jetzt im Himmel bei den Engeln ist. Die Person ist krank, die so etwas macht», sagt der Quartierbewohner.
Versiegelt werden «mutmassliche Tatorte»
Währenddessen bleibt die Haustüre der Mutter versiegelt. Rechtsanwalt André Kuhn erklärt gegenüber Blick, was das bedeutet. «Um ein Haus zu versiegeln, braucht es einen Anfangsverdacht auf eine Straftat. Es handelt sich um eine Zwangsmassnahme.» Versiegelt würden in der Regel mutmassliche Tatorte.
Das Haus dürfe so lange versiegelt bleiben, wie es «verhältnismässig» sei. Konkret bedeutet das: so lange, wie es erforderlich sei, um alle Spuren zu sichern. Unter Umständen kann das mehrere Wochen dauern. «Je nach Fall müssen die Experten zwei oder drei Mal rein. Fotos zu machen geht relativ schnell. Wenn es dagegen darum geht, Fingerabdrücke sicherzustellen, kann das länger dauern», sagt der Experte.
Nachbarn beten für die kleine Lisa
Die Trauer um das Mädchen ist gross. Das Quartier, wo die Achtjährige lebte, steht unter Schock. Betroffene Anwohner haben für Lisa eine Gedenkstätte errichtet. Kerzen, weisse Rosen und ein Teddy wurden niedergelegt.
Im Quartier will man sich nicht ausmalen, was der kleinen Lisa zugestossen ist. Den Anwohnern, die Kinder haben, ist es mulmig zumute. «Es ist wirklich tragisch, was passiert ist. Ich habe Angst um meine Kinder», erzählt eine Nachbarin und Mutter von Zwillingen. Sie habe die betroffene Familie nicht gut gekannt, wisse aber, dass die Frau erst seit einem Monat in dem Haus wohne.
Auch für die Kinder in der Nachbarschaft ist es schwer zu begreifen, was geschehen war. «Meine Tochter ist traurig, sie realisiert aber nicht wirklich, was das bedeutet», sagt eine Anwohnerin. Gemeinsam mit einer Nachbarin habe sie die Trauerstätte errichtet und zusammen mit anderen Anwohnern für die kleine Lisa gebetet. «Es war sehr schön, dass wir alle zusammen da waren, um ihr zu gedenken.»
Letzten Samstag spielte sie noch mit Barbie-Puppen
Isabelle Mumenthaler (36) kannte die tote Lisa. Ihre Tochter Luana (8) war mit dem Mädchen sehr gut befreundet, ging mit ihr zur Schule, bevor Lisa nach Köniz umzog. «Die Nachricht war ein grosser Schock – für mich und all meine Freundinnen im Quartier. Lisa hat immer mit unseren Kindern zusammengespielt. Sie war ein sehr liebes und lustiges Mädchen», sagt sie zu Blick. «Sie hat mir immer Isabella gesagt. Ich fand das immer so herzig», sagt die 36-Jährige.
Auch bei den Mumenthalers zu Hause war die Achtjährige ein willkommener Gast. So auch letzten Samstag. «Sie kam spontan zu uns zum Spielen. Sie war immer sehr gerne bei uns», erzählt die Mutter. Lisa und Luana haben mit Barbie-Puppen gespielt und gezeichnet. Und: «Ich habe noch eine Zeichnung von ihr, die sie vergessen hat.» Es ist ein Herz in allen Regenbogenfarben.
Lisa habe bei ihrer Freundin auch übernachten wollen. Mumenthaler sagte dem Mädchen, sie könne kommende Woche wiederkommen, wenn die Ferien anfangen würden.
Seit dem Vorfall haben die Mutter und auch ihre beiden Kinder grosse Angst, rauszugehen. «Ich kann fast nicht mehr schlafen und höre ständig irgendwelche Geräusche. Es ist mir sehr unwohl.» Am Mittwochabend erzählt die Mutter ihrer Tochter, was mit Lisa passiert ist. «Wir haben uns noch alte Fotos von den beiden zusammen angeschaut. Jetzt bleiben uns noch die schönen Erinnerungen.»
Schule informierte Eltern per Brief
In einem Brief an alle Eltern informierte die Schule über den traurigen Vorfall: «Heute Morgen haben wir erfahren, dass eine Schülerin einer Basisstufe der Schule Niederwangen Ried verstorben ist. Wir sind alle sehr traurig über dieses unfassbare Ereignis. Unser tiefes Mitgefühl gilt der betroffenen Familie.» Weiter heisst es, dass die Lehrpersonen in der kommenden Zeit mit dem nötigen Einfühlungsvermögen alle Kinder begleiten werden. Die Lehrerinnen und Lehrer seien angewiesen, allfällige Auffälligkeiten in den Klassen zu bemerken.
Auch die Gemeinde wandte sich in einem Schreiben an die Eltern und Schüler. «Unser tiefes Mitgefühl gilt den Eltern und Angehörigen», heisst es in dem Brief. Der Tod des Mädchens habe grosse Betroffenheit ausgelöst, besonders, weil die Umstände noch nicht restlos geklärt seien.
«In den Schulen ist heute wieder Regelbetrieb», sagt der Könizer Bildungsdirektor Hans-Peter Kohler am Donnerstag zu Blick. «Ein Care-Team kann bei Bedarf aufgeboten werden.» Über eine Trauerfeier in der Schule sei noch nicht geredet worden. Das müsse von der Familie gewünscht werden. Was bleibt, ist die Ungewissheit: «Wir haben ganz viele Fragezeichen: Was ist passiert? Warum ist es passiert?»
* Name geändert