Das junge Paar aus dem Kanton Bern wirft sich verzweifelte Blicke zu. «Wir wissen nicht, wie wir diese 9000 Franken bezahlen sollen. Auch unser Rechtsschutz konnte nicht helfen», sagt Mike Z.* (33). Er hält die Hand von Alba J.* (27), vor ihnen liegt eine happige Rechnung für eine Operation.
Alba J. leidet an Endometriose – eine der häufigsten Unterleibskrankheiten bei Frauen. Laut Tina Bernardi (44), Fachärztin für Gynäkologie, ist etwa jede Zehnte davon betroffen. Jedoch werde die Krankheit häufig falsch, gar nicht oder erst spät diagnostiziert. Genau das hat auch Alba J. erleben müssen: «Seit ich 12 Jahre alt bin, habe ich starke Unterleibsschmerzen – während der Periode, aber manchmal auch sonst.» Die Schmerzen seien kaum auszuhalten: «Es fühlt sich an, als würde einem jemand ein Messer in den Bauch rammen. Und das Schlimmste ist, dass Schmerzmittel dagegen nicht wirken.»
«Das Wort Endometriose ist nie gefallen»
Mehrfach habe die Bernerin einen Arzt aufgesucht: «Aber ich wurde als Mimose abgestempelt und nicht ernst genommen.» Ihr sei immer gesagt worden, es handle sich vermutlich um normale Regelschmerzen – die Diagnose Endometriose sei nie gestellt worden.
Und genau das ist der springende Punkt: 2021 las die ehemalige Detailhandelsangestellte bei eigenen Recherchen im Internet das erste Mal über die Krankheit und liess sich darauf untersuchen. Im Juni 2021 schliesslich wurde eine Operation nötig – dabei bestätigt sich der Verdacht: Alba J. hat Endometriose.
«2018 haben wir die Krankenkasse gewechselt, und nun will die Assura, unsere neue Krankenkasse, einen Teil der Spitalkosten nicht übernehmen», sagt Albas Partner Mike Z. Die beiden haben beim Wechsel eine Zusatzversicherung abgeschlossen, bei der sie im Falle eines Spitalaufenthaltes von den Leistungen einer Halbprivat-Versicherung profitieren können. Genau diese Leistungen will die Assura jetzt aber nicht bezahlen.
Fragebogen «nicht wahrheitsgetreu» ausgefüllt
Der Vorwurf der Assura: Alba J. habe beim Wechsel der Krankenkasse den Fragebogen nicht wahrheitsgetreu ausgefüllt. «Im Jahr 2018 war Frau J. bereits wegen Unterleibsschmerzen in medizinischer Behandlung», so ein Sprecher der Krankenkasse gegenüber Blick. Dies hätte sie auf dem Fragebogen für die Aufnahme in die Zusatzversicherung so angeben müssen, auch wenn es für die Schmerzen keine klare Diagnose gegeben hatte.
Für Alba J. kam das überraschend. «Auf diese Idee bin ich nicht gekommen, da mir ja immer gesagt wurde, dies seien normale Regelschmerzen», ärgert sie sich. «Ich wäre froh gewesen, wenn ich schon beim Krankenkassenwechsel gewusst hätte, woran ich leide. Seit ich meine erste Periode gekriegt habe, musste ich mit der Annahme leben, dass diese höllischen Schmerzen normal sind und ich einfach sehr empfindlich bin.»
Krankenkasse will nicht zahlen – und muss wohl auch nicht
Auf den 9000 Franken Behandlungskosten bleibt das Paar nun aber sitzen. Denn laut Rechtsexperte André Kuhn sei die Assura Krankenkasse vermutlich im Recht, wie er gegenüber Blick ausführt. Wer wegen Unterleibsschmerzen den Arzt aufsuchen muss, müsse das bei einem Kassenwechsel angeben: «Zusätzlich waren diese Schmerzen nach der Behandlung immer noch vorhanden. Aus diesem Grund ist der Einwand der neuen Krankenkasse nachvollziehbar. Alba J. hätte wissen können, dass sie nach einer Behandlung weiterbestehende starke Schmerzen der neuen Krankenkasse hätte melden müssen.» Hierzu sei keine Diagnose notwendig.
Das heisst für Frauen, die wegen Regelschmerzen einen Arzt aufsuchen und behandelt werden: Es reicht nur schon der Verdacht auf Endometriose, um bei der Zusatzversicherung einen Vorbehalt zu kassieren, sollte irgendwann diese Erkrankung tatsächlich diagnostiziert werden. Für Kuhn ist darum klar: «Generell ist es ratsam, dass man Zusatzversicherungen so früh wie möglich abschliesst.»
Droht der finanzielle Ruin?
Dieser Rat kommt für das Berner Paar zu spät: Die Verzweiflung der beiden ist gross. «Wir waren schon seit 2019 nicht mehr in den Ferien, und ich mache viele Überstunden, damit ich kompensieren kann, dass sie aus gesundheitlichen Gründen nun nur noch zu 60 Prozent arbeitsfähig ist», sagt Albas Lebenspartner Mike Z. Es sei finanziell darum jetzt schon schwierig, ergänzt Alba J. «Und was ist, wenn ich erneut operiert werden muss? Ich habe wirklich Angst, dass uns meine Krankheit in den finanziellen Ruin treibt.»
Eine Chance auf eine Kostenübernahme durch die Assura schliesst diese in ihrer Stellungnahme gegenüber Blick nämlich definitiv aus. Stattdessen rät sie dem Paar, eine Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Spital abzuschliessen.
*Namen geändert